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06.10.2015

Achtjährige Modellklausel zur Erprobung eines primärqualifizierenden Physiotherapiestudiums:

Evaluation der Bundesländer, Berichterstattung des Bundesministeriums für Gesundheit, Fristen

Das Gesetz zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze von Gesundheitsfachberufen hat nach seiner Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat 2009 die Möglichkeit eröffnet, dass auch Physiotherapeuten ein primärqualifizierendes Studium an einer Hochschule aufnehmen können. Ohne vorausgehende oder begleitende Fachschulausbildung können somit sowohl die Berufszulassung als Physiotherapeut als auch der akademische Grad des Bachelors unter der Gesamtverantwortung einer Hochschule erworben werden.

Im Wintersemester 2015/16 werden solche Studiengänge für Physiotherapie an elf Hochschulen in acht Bundesländern angeboten, lesen Sie diese hier.

Für die Modellklausel wurde eine zeitliche Begrenzung der Erprobung bis 31. Dezember 2017 vorgeschrieben und eine wissenschaftliche Begleitung bestimmt.
Für die Evaluation erließ das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2009 eine Evaluationsrichtlinie.

Diejenigen Bundesländer, in denen Modellstudiengänge eingeführt wurden, haben oben genannte Evaluationsrichtlinie zu beachten. Die Evaluationsergebnisse bilden eine Entscheidungsgrundlage für die Zukunft der primärqualifizierenden Studiengänge und über die Frage, ob die Modellklausel zu einer grundlegenden Öffnungsklausel im Berufsgesetz für Physiotherapeuten wie auch weiterer Gesundheitsfachberufe nach Fristablauf der achtjährigen Modellklausel am 31. Dezember 2017 werden kann.

Bundesländer, in denen Studiengänge nach der Modellklausel eingeführt sind, sind zur Evaluation und Berichterstattung an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verpflichtet. Das BMG wiederum ist verpflichtet, dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 Bericht zu erstatten.

Nordrhein-Westfalen hat bereits 2010 mit der Hochschule für Gesundheit in Bochum begonnen, Modellstudiengänge für mehrere Gesundheitsfachberufe einschl. Physiotherapie einzuführen, von 2012 bis 2014 wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitforschung im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) eine Evaluation durchgeführt.
Zur Unterstützung der Evaluation hat das MGEPA in NRW einen Fachbeirat eingerichtet, der sich aus Vertretern unterschiedlicher Gremien wie Ärztekammer, Krankenhausgesellschaft, Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) besteht. Der Deutsche Verband für Physiotherapie ist Mitgliedsverband im SHV.

Der Fachbeirat folgt in seiner Stellungnahme zu den Ergebnissen der Evaluation der Modellstudiengänge in NRW der Empfehlung der Evaluatoren, die hochschulische Erstausbildung vom Modellstatus in das Regelangebot zu überführen. Der Fachbeirat sieht die Erprobung der Modellstudiengänge als erfolgreich an.

Er weist auf die Berücksichtigung wesentlicher Aspekte hin wie beispielsweise:

  • Die Studiengänge sind auf die direkte Patientenversorgung auszurichten.

  • Die Berufsgesetze sollen in Hinblick auf eine hochschulische Ausbildung ergänzt werden.

  • Die Ausbildung mit ihren theoretischen und praktischen Inhalten soll (gemäß der Definition des Wissenschaftsrats, 2012) zur staatlichen Prüfung und Berufszulassung sowie zum Bachelorabschluss führen. Dies entspricht der verfassungsrechtlich verankerten staatlichen Verantwortung für den Schutz der Patienten/Klienten und den Gesundheitsschutz der gesamten Bevölkerung.

  • Die gesetzlich geschützten Berufsbezeichnungen sowie die Anforderungen an die Qualifikationen der Lehrenden sollen angemessen Berücksichtigung finden.

  • Der Fachbeirat befürwortet berufsqualifizierende Studiengänge, bei denen die Hochschule die Gesamtverantwortung auch inhaltlich übernimmt.

Aus anderen Bundesländern ist uns bislang keine (vergleichbare) Evaluation bekannt. Das ist außerordentlich ärgerlich: Denn wie soll das BMG fristgerecht bis Jahresende dem Bundestag berichten, wenn die Bundesländer nicht zuliefern? Wir sind deshalb bereits gegenüber dem BMG und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne, MdB vorstellig geworden und haben auf eine zügige Bearbeitung gedrängt, denn der Bundestag muss in 2016 über die Einführung eines primärqualifizierenden Physiotherapie- und Ergotherapie-Studiums als Regelausbildung entscheiden. Wir halten Sie informiert.

Angelika Heck-Darabi
Referat  Bildung und Wissenschaft