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20.06.2016

Nachruf für Antje Hüter-Becker – ein Leben für die Physiotherapie

Der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) trauert um seine frühere Vorsitzende Antje Hüter-Becker, die am 28. Mai 2016 verstorben ist.

Antje Hüter-Becker hat wie kaum ein anderer die Weiterentwicklung der Physiotherapie in Deutschland beeinflusst und mitgestaltet. Ihr Handeln war stets geprägt von großer Weitsicht und der Fähigkeit vorauszudenken. Nur wenige haben unseren Berufsstand nach dem 2. Weltkrieg so geprägt wie Antje Hüter-Becker.

1965 erhielt Antje Hüter-Becker die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnastin. Gleich im Anschluss an ihre Ausbildung sammelte sie erste Auslandserfahrungen im Rehabilitationszentrum für Querschnittgelähmte in Stoke Mandeville in England. Es folgten ab 1966 zwei Jahre als Krankengymnastin im Reha-Zentrum für Querschnittsgelähmte in Köln. Dort übernahm sie dann von 1969 bis 1975 die Leitung der Krankengymnastik an der Universitäts-Nervenklinik und begann gleichzeitig eine Lehrtätigkeit an der Krankengymnastik-Schule in Köln.

Die Neurologie und die Lehre waren fortan die Tätigkeitsfelder, auf die sie ihr Engagement konzentrierte. Als Schulleiterin ging sie 1975 an die Krankengymnastikschule Heidelberg, wo sie die nächsten zwanzig Jahre die Ausbildung vieler Kolleginnen und Kollegen prägte.

Als Leiterin des 1977 von ihr neu gegründeten Lehrerseminars des ZVK in Heidelberg war sie automatisch Mitglied im ZVK-Gesamtvorstand, wo sie es unnachahmlich verstand, im Ringen um Argumente für den richtigen Weg stets das Wesentliche zielsicher auf den Punkt zu bringen.

Antje Hüter-Becker hatte in ihrem beruflichen Leben stets ein klares Ziel vor Augen: die Verbesserung der Qualität unserer Arbeit, gesichert auf wissenschaftlicher Grundlage. Ihr war stets bewusst, welchen Einfluss ein starker Berufsverband zur Durchsetzung dieses Zieles haben kann. Sie war von 1968 bis 1982 1. Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen; in den Jahren 1983 bis 1986 hat sie die Geschichte unseres Bundesverbandes als Vorsitzende mit Beharrlichkeit und der erforderlichen Hartnäckigkeit geprägt. Die Berufspolitik war für sie ein unerlässlicher Motor für die Weiterentwicklung der Physiotherapie, die Verbandsmitgliedschaft eine Selbstverständlichkeit.

Darüber hinaus zeichnete Antje Hüter-Becker viele Jahre eine verantwortliche Tätigkeit aus, die ihr berufliches Wirken entscheidend mitgeprägt hat: Seit 1975 war sie Mitherausgeberin des Lehrbuchs Krankengymnastik/Physiotherapie und ab 1976 für 30 Jahre Chefredakteurin der Zeitschrift "Krankengymnastik"- Zeitschrift für Physiotherapeuten. In den 1990er-Jahren entwickelte sie mit Kollegen das "Neue Denkmodell in der Physiotherapie". Der damals revolutionäre Ansatz orientiert sich an Organ- und Funktionssystemen, an denen Physiotherapie wirkt. Es beinhaltet das Bewegungssystem, die Bewegungsentwicklung und -kontrolle, die inneren Organe, das Erleben und Verhalten und das periphere und zentrale Nervensystem. Mit diesem Denkmodell hat Antje Hüter-Becker entscheidende Ansätze zum ganzheitlichen therapeutischen Ansatz entwickelt.

Die deutsche Physiotherapie hat eine ihrer wichtigsten Persönlichkeiten verloren. Wir haben Antje Hüter-Becker viel zu verdanken und werden ihr Engagement für die Physiotherapie in Deutschland in ehrenvollem Andenken bewahren. Ihr gradliniges Handeln und ihre Überzeugungen für eine qualitativ hochwertige und wissenschaftlich fundierte Physiotherapie ist für uns Ansporn und Verpflichtung zugleich.

Andrea Rädlein
Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie