Login Mitglieder
A- A A+ Startseite Patienten‌ & Interessierte Fachkreise
02.03.2006 – Bundesverband

KVen und Politik in der Pflicht Teile der ärztlichen Basis handeln verantwortungslos

Mit der Vereinbarung neuer Heilmittelbudgets hat vor allem in den KV-Bereichen Nordrhein und Schleswig-Holstein eine Schlammschlacht begonnen. Ein Teil der ärztlichen Basis - unterstützt von ärztlichen Verbänden - probt den Aufstand gegen die KV und droht mit offenen Kampfmaßnahmen.
Versteckt läuft die Auseinandersetzung bereits, und zwar zu Lasten der Patienten. Denn eine Waffe haben die Ärzte ja in der Hand: Sie können die Verordnung von Heilmitteln verweigern. Dass dies zu Lasten therapiebedürftiger Patienten geht, stört einen Teil der Ärzte wenig. Unsere Praxen berichten von Umsatzrückgängen von bis zu 70%. Ursache des Streits Im Rheinland z.B. hat die Auseinandersetzung zwei Gründe:
  • Zum einen wurde das Heilmittelbudget zwar von 360 Mio. EUR auf 390 Mio. EUR erhöht, mithin um 8,3%. Die voraussichtlichen Heilmittelausgaben im Jahre 2005 lagen aber bei 415 Mio. EUR. Das für 2006 vereinbarte Heilmittelbudget kann daher nur eingehalten werden, wenn die Ärzte über das Jahr rd. 25 Mio. EUR einsparen. Im Schnitt wäre dies jede 20igste Verordnung.
  • Gleichzeitig wurde das Prüfverfahren von Durchschnittswerten auf Richtgrößen umgestellt. Praktisch bedeutet dies, dass nunmehr jeder Arzt anhand „seiner“ Richtgrößen darauf überprüft werden kann, ob er das für ihn vorgesehene Ausgabenvolumen im Heilmittelbereich eingehalten hat. Bisher wurden mehr Verordnungen des einen Arztes durch weniger Verordnungen des anderen Arztes weitestgehend ausgeglichen. Nunmehr werden Ärzte, die „ihr“ Budget nicht eingehalten haben, möglicherweise auch dann in Regress genommen, wenn - bedingt durch weniger Verordnungen eines Teils der Ärzte - das vereinbarte Heilmittelbudget insgesamt nicht überschritten worden ist. Dies ärgert nicht nur die Ärzte. Denn dieses System führt zwangsläufig zu einer Spirale nach unten.
Interessenslage der Physiotherapeuten Zunächst geht es um das Schicksal der Patienten. Aber natürlich müssen unsere Praxen auch daran denken, dass sie gewinnorientiert wirtschaften und nicht mehr Personal beschäftigen, als durch ärztliche Verordnungen ausgelastet werden kann. Die Situation ist aber anders als im Pharmamarkt: Dort kämpfen teure gegen preiswerte Medikamente mit denselben Wirkstoffen. Eine Substitution (zu) teurer Medikamente z.B. durch Generika mit gleichen Wirkstoffen ärgert zwar einen Teil der Hersteller, wird aber nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen. Dies ist im Heilmittelbereich gänzlich anders. Jede Heilmittelverordnung, die ein Arzt ausschließlich aus Sorge vor einem Regress unterlässt, obwohl er sie medizinisch für notwendig hält, erfüllt letztlich den Tatbestand der Körperverletzung. Denn jeder Patient hat in unserem Gesundheitssystem Anspruch auf die Behandlung, die er individuell benötigt, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Fazit: Bei allem Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen der Ärzte, die über fallende Punktwerte und steigende Regresse klagen: Jede Auseinandersetzung ärztlicher Teil-Organisationen mit der KV und der Politik, die auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird, muss als solche von uns gebrandmarkt werden. Unbeschadet auch unserer wirtschaftlichen Interessen müssen wir uns in dieser Auseinandersetzung hinter unsere Patienten stellen, so wie wir es auch bei längerfristigen genehmigungspflichtigen Verordnungen getan haben, wenn sie zu Unrecht verweigert wurden. Vor allem darf sich die Politik nicht hinter dem Rücken der verfassten Ärzteschaft, d.h. der zunächst zuständigen KVen verstecken: Ärztekammer und KVen gemeinsam bedürfen der politischen Rückendeckung durch die zuständigen Gesundheitsministerien der Länder. Hierauf wirken wir in diesen Tagen energisch hin. Ulrike Steinecke Vorsitzende Heinz Christian Esser Geschäftsführer