19.12.2011
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Bundesverband
GKV-Versorgungsstrukturgesetz verabschiedet
ZVK zeigt sich nur bedingt zufrieden.
Der Bundestag hat seine Beratungen am 3. Dezember 2011 in 2. und 3. Lesung abgeschlossen, im Bundesrat wird es am 16. Dezember also keine Überraschungen mehr geben. Das Gesetz tritt somit zum 1. Januar 2012 in Kraft. Soweit zu den Fakten.
Heinz Christian Esser
Geschäftsführer
Die Bewertung fällt gemischt aus:
- Den Heilmittelverbänden ist es nicht gelungen, eine gesetzliche Ausnahme von der Grundlohnsummenanbindung für den Ost-West-Angleich der Gebühren im Heilmittelbereich durchzusetzen. Bekanntlich gibt es einen Deckel für Vergütungserhöhungen in Gebührenverhandlungen ebenso wie in Schiedsverfahren: Die Gebühren dürfen nicht höher ansteigen als die Grundlohnsumme, im Jahre 2012 liegt dieser Satz bei 1,98 Prozent. Ziel war es, in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) eine Ausnahmeregelung aufzunehmen, um höhere Gebührenabschlüsse in den neuen Bundesländern (NBL) zu erlauben. Dem stand die Sorge der Politik entgegen, dass ein solches Beispiel die Tür auch für andere Leistungsbereiche öffnen würde. Dies bedeutet, dass wir uns auch weiterhin mit der sehr restriktiven Auffassung des Bundesversicherungsamtes zu Ausnahmeregelungen herumschlagen müssen, allerdings in Zukunft mit mehr Rückendeckung des Bundesgesundheitsministeriums.
- Auch im Bereich arbeitsteilige Patientenversorgung greift die Gesetzesänderung zu kurz. Das Gesetz setzt weiter auf Delegation, das heißt, der Arzt kann entscheiden, welche seiner Mitarbeiter er auch bei Hausbesuchen einsetzt und natürlich auch abrechnet. Ob sich die Ärzteschaft damit einen Gefallen tut, dass sie kaum weitergebildete Fachangestellte ("Sprechstundenhilfen") auf Hausbesuch schickt und damit zeigt, dass ihr die Behandlungsqualität relativ egal ist, sei dahingestellt. Der so oft beschworene Vorrang der Patientensicherheit spielt (jedenfalls noch) keine entscheidende Rolle. Fakt ist weiter: Den Erkenntnissen insbesondere des Sachverständigenrats zur Etablierung einer modernen und zukunftsfesten Aufgabenverteilung der Gesundheitsfachberufe wird damit überhaupt nicht Rechnung getragen. Vielmehr wird alles unternommen, um die tradierte Rollenverteilung im Gesundheitswesen fortzuschreiben, anstatt die Potenziale der nichtärztlichen Gesundheitsfachberufe und hier insbesondere der Heilmittelberufe abzurufen. Von "Wer kann, der darf" kann hier also noch keine Rede sein.
- Von daher teilen wir uneingeschränkt die Kritik des Gesundheitsausschusses des Bundesrates in seiner Empfehlung vom 8. Dezember 2011 verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die "langjährigen" Forderungen des Sachverständigenrats nach einer "neuen Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen". Der Bundesrat verbindet damit die Aufforderung an die Bundesregierung "die Primärversorgung unter Einschluss des Entlastungspotentials nichtärztlicher Gesundheitsberufe zu stärken und in den Mittelpunkt der Versorgung zu rücken".
Aber es gibt auch weitere deutlich positive Aspekte:
- § 32 SGB V der Neufassung regelt das Verfahren bei längerfristigen Genehmigungen für Heilmittelbehandlungen bei sogenannten Statuspatienten. Das Gute für Patienten mit langfristigem Behandlungsbedarf ist, dass sie nun auf längere Zeit hinaus (ein bis zwei Jahre) sicher sein können, die erforderlichen Heilmittelverordnungen zu erhalten, ohne dass der verordnende Vertragsarzt finanzielle Konsequenzen fürchten muss (Stichwort Richtgrößenüberprüfung). Wie wir von Krankenkassen hören, soll dieses Genehmigungsverfahren bereits ab der ersten Behandlung erfolgen können, wenn wie zum Beispiel bei Patienten mit Multiple Sklerose bereits mit der Diagnose klar ist, dass auf die Heilmittelbehandlung nicht verzichtet werden kann. Für die Ärzte hat diese neue Form der Langfristgenehmigung den Vorteil, dass die auf diese Behandlungen entfallenden Kosten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V außer Acht bleiben. Sicherlich wird es Zeit brauchen, bis sich diese neue Form des Genehmigungsverfahrens bei allen Krankenkassen einspielt. Wir haben aber keinen Zweifel daran, dass dies geschieht, denn die gesetzlichen Vorgaben (auch in der Gesetzesbegründung) sind klar und eindeutig.
- Das gegenwärtige System der Heilmittelregresse, das sich nicht bewährt hat, soll grundsätzlich verändert werden. Demnächst gibt es einen bundesweit gültigen Katalog von Praxisbesonderheiten für die Verordnung von Heilmitteln, die bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung außer Ansatz bleiben. Ziel des Gesetzgebers ist es, den Ärzten die in aller Regel diffuse Sorge vor einem Heilmittelregress zu nehmen und so sicherzustellen, dass jeder Patient mit unstrittigem Therapiebedarf die Behandlungen erhält, die in der Heilmittel-Richtlinie für ihn vorgesehen sind.
Fazit:
Die Themen Ost-West-Angleich und arbeitsteilige Patientenversorgung unter Einschluss der Heilmittelberufe harren auch weiter der Erledigung. Positiv für uns sind alle Regelungen, mit denen eine ordnungsgemäße Heilmittelversorgung stabilisiert wird, weil die Sorge der Ärzte vor einem Heilmittelregress abgebaut wird. In welchem Umfang dies greift, wird das Jahr 2012 zeigen, das hoffentlich auch die notwendige Novellierung der Heilmittelrichtlinie bringt.Heinz Christian Esser
Geschäftsführer