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10.10.2005

Das erwarten Patienten von ihren Therapeuten - Erste Antworten

Ergebnisse der Vorstudien zu einer bundesweiten Fragebogenerhebung von Patienten der Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie über Erwartungen, Bedürfnisse und Zufriedenheit bezüglich der Interaktion und Kommunikation der Therapeuten dieser Berufsgruppen.

Derzeit wird an der Fachhochschule Hildesheim, Studiengang für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie im Rahmen der Promotion von Andrea Dehn-Hindenberg eine bundesweite Befragung von Patienten dieser drei Berufsgruppen durchgeführt. Zentrale Fragestellungen dieser Forschungsarbeit sind die Erwartungen von Patienten an die Interaktion und die Kommunikation mit ihren Therapeutinnen und Therapeuten sowie die Beurteilung ihrer Erfahrungen. Die Vorstudien bestanden aus Patientenbefragungen mittels Fragebögen zu ausgesuchten Therapieinhalten (z.B. Übungsanleitung, Information, Festlegung von Therapiezielen) und aus Interviews. In den Interviews wurden Patienten befragt, die aus persönlichen Gründen eine Therapie abgebrochen und eine neue begonnen haben. Die zentrale Fragestellung konzentrierte sich auf die Kriterien, die zum Therapieabbruch geführt hatten. In den meisten Fällen gaben die Patienten an, dass „die Chemie nicht stimmte“, oder dass sie sich von ihren Therapeuten nicht verstanden fühlten.

Insgesamt nahmen 65 Patienten aller drei Berufsgruppen an den Vorstudien teil. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich jedoch ausschließlich auf die Patienten der Physiotherapie.

Die Frage: Was ist Ihnen in der Therapie besonders wichtig? wurde von den Patienten der Physiotherapie wie folgt beantwortet: (Mehrfachnennungen waren möglich).

1.Kompetenz der Therapeutin/des Therapeuten

2.Eingehen auf persönliche Belange

3.Freundlichkeit

4.Informationen über Therapiemethoden

5.Mitbestimmung bei der Wahl der Therapiemethoden

6. Atmosphäre

Respekt, Einbeziehung der Familie und Pünktlichkeit wurden in dieser ersten Befragung nicht genannt. Klare Siegerin ist die Kompetenz der Therapeuten. Wie diese allerdings von den Patienten definiert wird und wie sie erkennbar ist, wird erst bei der Darstellung der Ergebnisse der nächsten Frage deutlich werden.

Die Frage: Woran erkennen Sie, dass Ihr Therapeut/Ihre Therapeutin kompetent ist? ergab folgende Antworten in der Reihenfolge der Häufigkeiten: (Mehrfachnennungen waren möglich)

1.an der Art und dem Umfang der Gespräche

2.an den fachlichen Informationen

3. an der Art wie er/sie auf meine Bedürfnisse eingeht

4.an der Art wie er/sie mich behandelt

5.an der Besserung meiner Beschwerden

Ein freundliches Auftreten wurde von den Patienten der Physiotherapie nicht mit Kompetenz in Verbindung gebracht.

Die Kompetenz ihrer Therapeutin/ihres Therapeuten erkennen die Patienten an der wahrgenommenen Qualität des Gesprächsverhaltens. Dicht danach schneiden die fachlichen Informationen, das Eingehen auf persönliche Bedürfnisse und die Art der Behandlung ab, wenn es darum geht, Kompetenz festzuschreiben. Erst an fünfter Stelle ist die Besserung der Beschwerden ein Parameter für Kompetenz. Das freundliche Auftreten der Therapeuten spielt in dieser ersten Befragung anscheinend keine Rolle bei der Erkennung von Kompetenz.

Diesen ersten Ergebnissen zufolge lassen sich zwei Aspekte besonders herausstellen:

1. Therapeutenkompetenz ist in der Therapie von zentraler Bedeutung, und

2. Kompetenz wird an den sogenannten „soft skills“, den sozialen Fähigkeiten der Therapeuten festgemacht und weniger an therapeutisch-fachlichen Kriterien.

Die sozialen Kompetenzen haben die Besserung der Beschwerden weit hinter sich gelassen, wenn es darum geht, therapeutische Kompetenz zu erkennen. In diesem Zusammenhang scheinen auch die Ergebnisse der Frage nach der gewünschten Unterstützung in der Therapie von großer Bedeutung zu sein.

Die Frage Was unterstützt sie am meisten in der Therapie? ergab folgende Reihenfolge: (Mehrfachnennungen waren möglich)

1.Kompetenz der Therapeuten

2.eine individuelle Behandlung

3.die richtigen therapeutischen Methoden

4.das Eingehen auf persönliche Belange

5.wirksame Übungen

6.das Gefühl gut aufgehoben zu sein

7.verständliche Informationen über die Beschwerden

8.die Möglichkeit eigene Wünsche äußern zu können

9.eine angenehme Atmosphäre

Hier liegt wiederum die Kompetenz ganz vorn, gemeinsam mit einer individuellen Behandlung. Erst an fünfter Stelle rangieren wirksame Übungen. Auch hier sind wieder die empathischen, auf die persönlichen Bedürfnisse eingehenden Handlungskompetenzen gefragt. Ob sich diese Tendenz bestätigt, und inwieweit dies für das Gelingen der Therapie von Bedeutung ist, sind wichtige Aspekte, die in der bundesweiten Befragung näher beleuchtet werden.

Bei der Frage, wie die Patienten selbst die Therapie positiv beeinflussen können, wurde die eigene, aktive Mitarbeit von den Patienten als besonders hilfreich genannt. An zweiter Stelle rangiert das genaue Befolgen der Anweisungen der Therapeutin/des Therapeuten. Außerdem sind die Patienten der Meinung, die Therapie positiv zu beeinflussen, indem sie ihre Krankengeschichte und Lebensumstände schildern. Immerhin noch ein knappes Viertel halten es für wichtig, auf die Fähigkeiten ihrer Therapeutin/ihres Therapeuten zu vertrauen. Wichtige Parameter für einen positiven Therapieerfolg sind hier eindeutig die aktive Mitarbeit und das Befolgen der therapeutischen Anweisungen.

Ebenso eindeutig wurde die Frage wie die Patienten informiert werden möchten, beantwortet:

Alle Patienten votierten für das persönliche Gespräch. Informationsbroschüren bevorzugten gut ein Drittel der Patienten. Informationen durch Medien, wie das Fernsehen und der Hörfunk, sind noch von ca. einem Viertel der Befragten erwünscht. Eine Informationsbeschaffung via Internet nutzt demnach nur eine geringe Anzahl von Patienten.

Die Zufriedenheitswerte bei der Beurteilung der Erfahrungen in der Therapie waren durchweg sehr gut bis gut. Was bislang allerdings noch rätselhaft erscheint, ist die Beantwortung der Frage nach der Beurteilung der Therapie. Hier antworteten weniger als ein Drittel der Patienten, dass sie ihre Therapie als voll und ganz gelungen bewerten. Ein weiteres knappes Drittel bewertet die Therapie noch als zum größten Teil gelungen. Der größte Anteil fällt auf die Patienten, die ihren Therapieverlauf als nur zufrieden stellend bewerten.

Obwohl die Therapieinhalte zum überwiegenden Teil mit gut und sehr gut bewertet wurden, wird die Therapie insgesamt von eindeutig weniger als einem Drittel als voll und ganz gelungen bewertet. Hier verdeutlicht sich, dass für die endgültige Bewertung einer Therapie noch andere Kriterien von Bedeutung sind, die in den vorherigen Fragen noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden oder deren Korrelationen, also die Verbindungen untereinander noch intensiverer Untersuchungen und Analysen bedürfen.

Es bleibt spannend die Ergebnisse der bundesweiten Studie abzuwarten, um auf der Grundlage genauer Daten Aussagen über Patientenerwartungen und deren Zufriedenheitsgrad treffen zu können. Die Diskussion darüber, welche Bedürfnisse Patienten in diesem Kontext des Gesundheitswesen haben, welche Parameter bedeutsam für das Gelingen der Therapie sind und wodurch die Mitarbeit der Patienten gefördert werden kann, bleibt so nicht mehr länger spekulativ, sondern kann sich auf erste Fakten und Ergebnisse gründen. Diese Erkenntnisse können somit als Ausgangsbasis für konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Prozessqualität und der kommunikativen Handlungskompetenz der behandelnden Therapeutinnen und Therapeuten genutzt werden.

Dies wären die ersten Schritte in einem wissenschaftlichen Kontext, mit fundierten Ergebnissen den Ist-Zustand zu beschreiben, um daraus die bestmöglichen und erfolgreichsten Konsequenzen für den Berufsalltag und die Inhalte für die Ausbildung der Therapeuten im Bereich Kommunikation und sozialer Kompetenzen zu ziehen, damit der Behandlungsprozess in diesen soft-skills, die eine sehr bedeutsame Rolle im Therapieprozess spielen, die fachlich-therapeutischen Kompetenzen in sinnvoller Weise ergänzen und vervollkommnen. Dies wurde in den Interviews und den Antworten der offenen Fragen des Pre-Test-Fragebogens bestätigt. Wichtige Kriterien, um das Vertrauen der Patienten zu gewinnen sind demnach ein empathisches Verhalten, eine individuelle, auf den Patienten abgestimmte Kommunikation und das Zuhörverhalten der Therapeuten. Die Kompetenz wurde hier an zweiter Stelle genannt, gefolgt von Freundlichkeit, Krankheitsanalyse, Organisation des Therapieverlaufs und verständliche Erklärungen.

Diese Antworten von Patienten der Therapeuten der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie bestätigen Untersuchungen von Patienten nach Krankenhausaufenthalten. „Die wichtigsten zur Zufriedenheit beitragenden Faktoren seitens der Ärzte sind: Kompetenz, Menschlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und Hilfsbereitschaft“. (1)

In der Mehrzahl der empirischen Studien zur Gewichtung von Qualitätsdimensionen werden die Aspekte des Umgangs und der zwischenmenschlichen Betreuung als wichtigste Komponente der Versorgungsqualität angesehen. (2)

Die Qualität eines empathischen Verhaltens trägt wesentlich zur Patientenzufriedenheit bei. Eine gute Kommunikation ist wiederum der Schlüssel, um Empathie zum Ausdruck zu bringen. „Communication is always important, an empathy makes communication more effective.” (3)

Welche Kriterien den Patienten im Kontext physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung in der Interaktion mit ihren Therapeuten am wichtigsten sind, ob und welche Unterschiede zwischen den Berufsgruppen bestehen, sind zentrale Fragen dieser Untersuchung, an der 50 Institutionen im gesamten Bundesgebiet beteiligt sind; ausgewertet werden ca. 650 Fragebögen. (Die genaue Anzahl liegt noch nicht vor.)

An dieser Stelle möchte ich mich für das große Interesse und die Mitarbeit bedanken: Allen Praxen, Reha-Kliniken und Kurzentrum sowie allen Patienten: ein ganz herzliches Dankeschön!

Andrea Dehn-Hindenberg (Dipl. soz. päd.)

Kontaktadresse:

Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst

Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen

Goschentor 1

31134 Hildesheim

Mail.: Andrea.Dehn-Hindenberg@online.de

Literatur:

1. Ruprecht, T. 2000, Qualität quo vadis – die Perspektive der Patienten. In: Qualität in der Gesundheitsversorgung, Newsletter der GQMG (7) S. 9 – 14.

2. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2002 S. 10.

3. Press, I. 2002 Measuring and Improving the Experience of the Satisfaction in Patients. Chicago: Health Administration Press, S.31