26.10.2005
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Bundesverband
Rückenschmerzen: Mehr als ein Drittel der Fälle seelisch bedingt
Die Kombination von Psycho- und Physiotherapie hat sich bewährt.
Rückenschmerzen hängen nach Angaben des Jenaer Psychologen Bernhard Strauß in mehr als einem Drittel der Fälle mit seelischen Belastungen zusammen. „Vor allem Unzufriedenheit im Job und krisenhafte Lebensereignisse machen anfällig für chronische Rückenleiden“, sagte der Direktor des Jenaer Universitätsinstituts für Medizinische Psychologie in einem dpa-Gespräch. Der Jenaer Pathophysiologe Hans-Christoph Scholle sagte anlässlich einer Fachtagung zu Rückenschmerz und Psychotherapie, es sei wichtig, dass Patienten und Physiotherapeuten den Zusammenhang zwischen psychischem Druck und Rückenschmerz kennen. „Die betroffenen Patienten haben ein sehr ausgeprägtes Schmerzempfinden, ohne dass ein klarer körperlicher Befund vorliegt“, sagte Strauß. Symptome würden ängstlich überbewertet und regelrecht zergrübelt. Häufig schonten sie ihren Körper übermäßig, obwohl Bewegung besser sei. Auf der Suche nach einer vermeintlichen körperlichen Ursache wanderten sie häufig jahrelang von Arzt zu Arzt. Bleibe der Erfolg aus, verstärke das den Druck noch.
Das Klima am Arbeitsplatz bestimmt nach Einschätzung des Psychologen ganz wesentlich, ob Menschen anfällig für chronischen Rückenschmerz werden. Ärger über Arbeit, Kollegen und Vorgesetzte, Über- oder auch Unterforderung seien Risikofaktoren. „Wer nicht motiviert zur Arbeit geht, kommt schneller in einen Strudel negativer Gedanken und achtet mehr auf körperliche Symptome“, erläuterte Strauß. Auch einschneidende Lebensereignisse wie der Verlust eines nahen Menschen oder Arbeitslosigkeit begünstigten das Leiden. Häufig sei eine depressive Verstimmung Ausgangspunkt.
Bis ein Patient mit psychisch bedingten körperlichen Störungen Hilfe bei einem Psychologen sucht, vergehen Strauß zufolge im Durchschnitt fünf bis sieben Jahre. Schmerzpatienten könnten in einer Psychotherapie einen neuen Umgang mit ihren körperlichen Symptomen lernen und die Lösung von Konflikten trainieren. Bewährt habe sich die Kombination von Psycho- und Physiotherapie. Die Mediziner unterscheiden zwischen akutem und chronischem Rückenschmerz. Im ersten Fall ist die Ursache - etwa ein Tumor - erkennbar. Im zweiten Fall lässt sich der Schmerz nicht mit einfachen Diagnosen erklären. Erkrankungen des Bewegungsapparates, vor allem Rückenprobleme, waren nach dem Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK in Deutschland im Vorjahr Anlass für fast jede vierte Krankschreibung. Behandlung und Arbeitsausfall bei Rückenleiden kosten Scholle zufolge jährlich rund 45 Milliarden Euro.