Sparen Ärzte zulasten der Patienten?
Einzelne Praxen kämpften mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 30 Prozent, heißt es bei der Landesgeschäftsstelle des Zentralverbands der Physiotherapeuten / Krankengymnasten (ZvK). Seit August blieben vor allem in der Region Hannover, in Braunschweig, Stade und Lüneburg die Patienten weg, sagt ZvK-Sprecherin Gabriele Ites. Betroffen seien auch Ergotherapeuten, die sich auf die Behandlung von Kindern spezialisiert hätten. Ites macht eine Vereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) mit den Krankenkassen für den Rückgang verantwortlich.
Tatsächlich ist der Sparkurs gewollt. Seit Jahren beklagen die Krankenkassen, dass die jährlichen Ausgaben für Heilmittel in Niedersachsen mit rund 390 Millionen Euro deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen. 2006 war es ein Plus von zwölf Prozent. In diesem Jahr soll sich das ändern. Gemeinsam vereinbarten KVN und Kassen eine Sparquote von drei Prozent. Doch von dieser Zielmarke ist man noch weit entfernt. Nach Angaben der Ersatzkassenverbände Niedersachsen (VdAK) verharrten die Ausgaben für Massagen und Krankengymnastik mit rund 217 Millionen Euro im ersten Halbjahr auf dem Vorjahresniveau.
Sollte die Sparquote verfehlt werden, droht einzelnen Ärzten erstmals eine Überprüfung, ob sie sich an sogenannte Richtgrößen gehalten haben. Bislang blieb ihnen dies erspart, weil die Kassen nicht in der Lage waren, im Heilmittelbereich arztbezogene Daten zu liefern. Zudem steht in diesem Fall der KVN eine Regressforderung der Kassen von 1,5 Millionen Euro ins Haus.
Die KVN betont, dass nur eine gewisse „Wohlfühlversorgung“ vom Sparkurs betroffen sei. Dies habe man auch allen Verbänden im Heilmittelbereich mitgeteilt, sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke. Medizinisch Notwendiges sei in der Heilmittelverordnung klar geregelt und werde auch künftig weiter verordnet. Beim Physiotherapeutenverband hat man da allerdings Zweifel. So gebe es Hinweise, dass Schlaganfallpatienten nach der Akutbehandlung vom Arzt zum sogenannten Funktionstraining geschickt werden. Medizinisch sei das unvertretbar; für den Arzt hat dies jedoch den Vorzug, dass das Gruppenangebot nicht unters Heilmittelbudget fällt. Kindergärten wiederum, deren Kinder auf besondere Förderung angewiesen sind, klagen darüber, dass notwendige Therapien wie Sprachschulung nicht mehr durchgeführt werden können.
Mittlerweile hat der Protest auch ein eigenes Forum gefunden. Bereits im September wurde in Hannover der Arbeitskreis Heilmittel Niedersachsen gegründet. Nicht nur Therapeuten, auch Ärzte haben sich dem Kreis angeschlossen. Sie fordern die Abschaffung von Richtgrößen und damit die Limitierung der Verordnung von Heilmitteln. Das Feilschen mit den Patienten um jedes Heilmittelrezept, so heißt es, müsse endlich ein Ende haben.
von Gabi Stief
Quelle: Göttinger Tageblatt - Niedersachsen