09.12.2005
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Bundesverband
Spektakuläre Einzelfälle von Abrechnungsbetrug durch Ärzte und Apotheker haben die Ersatzkassenverbände in Baden-Württemberg aufgedeckt
Trotzdem atmet Verbandschef Walter Scheller nach einer gezielten Durchleuchtung der Abrechnungen zwischen Januar 2004 und August 2005 auf: Es gibt nicht so viel Dunkles wie vermutet wurde.
64 Verfahren mit einem Gesamtschaden von 1,4 Millionen Euro sind abgeschlossen, 425 000 Euro davon konnten sich die Ersatzkassen zurückholen. Besonders dreist versuchte ein Orthopäde, die Krankenkassen zu prellen. Er rechnete Röntgenbilder von Versicherten ab, die bereits 1000 Tage tot waren. Da muss man den Arzt schon fragen, ob er das Grab von außen beleuchtet hat , sagt Scheller. Der Betrug an den Krankenkassen summierte sich auf 600 000 Euro. Der Mediziner verlor seine Kassenzulassung und musste die ergaunerten Beträge zurückzahlen. Ein extremer Fall , betont Scheller und verweist darauf, dass nur acht der landesweit 22 000 Ärzte mit Manipulationen aufgefallen sind.
Bei 2500 Apothekern im Land gab es nur drei Problemfälle, die aber mit großen Schäden und krimineller Energie verbunden waren. Einer hat bei einem Krebspatienten extrem teuere Medikamente abgerechnet, die gar nicht angezeigt waren. 1500 Euro kostet eine dieser Behandlungseinheiten, bis zu 40 sind für einen Patienten notwendig. Den Krankenkassen fiel das erst nach geraumer Zeit auf, eine Million Euro Schaden war da schon aufgelaufen. Ein anderer hatte sich einen Block mit Blankorezepten besorgt, die er selbst ausstellte. Etwa die Hälfte der bei den Ersatzkassen aufgedeckten Schäden durch manipulierte Abrechnungen entfällt allein auf die drei Apotheker.
Aber Scheller will aus diesen Einzelfällen keine Reißerstorys machen. Die Kassen sind seit der Gesundheitsreform gesetzlich verpflichtet, Fehlverhalten zu verfolgen. Im Bereich der Ersatzkassen, die bei der Aufklärung mit der Konkurrenz kooperiert, kam es bei 64 abgeschlossenen Verfahren zu zehn Anzeigen.
Im Bereich Physiotherapie gibt es im Südwesten 16 000 Anbieter. 18 Verstöße wurden in den gut eineinhalb Jahren gefunden. Und darunter, so Michael Preibsch vom Verband für Physiotherapie, sei ein Kollege, der seine Praxis vor 20 Jahren eröffnete, aber seine Abrechungspraxis nie an geänderte Vorgaben anpasste. Mehr Vorsatz erkennt er bei jenem Kollegen, der sich mangels eigener Qualifikation für Zusatzleistungen einen Mitarbeiter einstellte, den aber nach drei Monaten entließ und trotzdem weiterhin die Spezialtherapie abrechnete. Preibsch: Es gibt schwarze Schafe, auch wenn es wenige sind. Aber die bringen den ganzen Berufsstand in Misskredit.
Quelle: Heilbronner Stimme, 6.12.2005