15.09.2006
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Bundesverband
Training nach Schlaganfall macht Gehirn flexibler
Studien zeigen, dass nach mehrwöchiger Physiotherapie eines Schlaganfall-Patienten beide Gehirnhälften vermehrt aktiv sind.
Das Gehirn, insbesondere die Hinrinde - der so genannte Cortex - ist lebenslang fähig, neue Nervenverbindungen zu knüpfen. Mediziner versuchen diese Plastizität bei Patienten nach einem Schlaganfall durch Bewegungstraining gezielt anzuregen. Die \"therapieinduzierte kortikale Plastizität nach Schlaganfall\" diskutieren Experten im Rahmen der 79. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Dies soll gesunde Bereiche des Gehirns dazu bringen, die Aufgaben der - durch den Schlaganfall unwiderruflich - geschädigten Areale zu übernehmen. Denn die Plastizität des Gehirns hängt vom Gebrauch des Körperteils ab, für den ein spezieller Bereich des Gehirns zuständig ist. Je intensiver das Training mit einem gelähmten Körperteil, desto größer der entsprechende Bereich im Cortex. Art und Ausmaß der Veränderungen können Mediziner heute mit bildgebenden Verfahren sichtbar machen - und dadurch die Vorgänge im Gehirn immer besser verstehen lernen.
Studien zeigen, dass nach mehrwöchiger Physiotherapie eines Schlaganfall-Patienten beide Gehirnhälften vermehrt aktiv sind. In einigen Gehirnbereichen korrelierte dieser Anstieg direkt mit einer Verbesserung der motorischen Fähigkeiten bei den Patienten. In anderen Studien hingegen war der durch Handbewegungen aktivierte Bereich des Gehirns nach der Therapie kleiner geworden. \"Es handelt sich hierbei jedoch um eine Fokussierung der neuronalen Aktivität auf ein konkretes Areal von Nervenzellen\", erläutert Professor Dr. med. Joachim Liepert, Klinik für Neurologie des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf und Ärztlicher Leiter der Neurorehabilitation an den Kliniken Schmieder Allensbach. \"Dieses Muster finden wir auch bei Gesunden, wenn eine Bewegung perfekt gelernt wurde und deren Ausführung dem Gehirn danach weniger Aufwand abfordert.
Mithilfe der modernen Bildgebung lässt sich sogar die Größe der Bereiche bestimmen, die einzelne Muskeln im Gehirn repräsentieren. In mehreren, vom Kompetenznetz Schlaganfall geförderten Untersuchungen zeigten Wissenschaftler, dass ein gelähmter Muskel im Gehirn weniger repräsentiert ist als der in der anderen Körperhälfte gegenüberliegende gesunde Muskel. Nach einer Physiotherapie vergrößert sich dieser Bereich jedoch. Außerdem verlagert sich die aktive Zone. \"Dies zeigt, dass benachbarte Areale rekrutiert werden, um die Funktionen der ursprünglichen Region zu übernehmen\", erläutert Professor Liepert. \"Die Stärke und Richtung der Arealverschiebung steht dabei in direktem Zusammenhang zur Funktionsverbesserung bei den Patienten.\" Aktuelle Forschungsergebnisse erörtert Professor Liepert mit anderen Experten auf der 79. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie./idw