20.03.2006
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Bundesverband
18. Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen tagte in Berlin
Durch Kaputtsparen, Profitorientierung und Konzentrationsprozesse kann keine weitere Leistungs- und Qualitätsverbesserung erreicht werden
Auf der 18. Sitzung der Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen am 14. März 2006 in den Räumen der BÄK in Berlin nahmen rund 40 Verbände teil, darunter auch der ZVK. Das Programm wurde wie auch in den vergangenen Jahren von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Dipl. Päd. Rosemarie Bristrup vorbereitet. Der ZVK ist ständiges Mitglied in dieser Arbeitsgruppe und war somit auch dieses Jahr aktiv an der Planung der diesjährigen Veranstaltung beteiligt.
„Das deutsche Gesundheitswesen entwickelt sich mehr und mehr zu einem System der staatlichen Mangelverwaltung auf Kosten der Gesundheit der Patienten und der Beschäftigten in der ambulanten und stationären Versorgung“, warnten die Vertreter der rund 40 Verbände. Der permanente Kosten- und Wettbewerbsdruck in der Gesetzlichen Krankenversicherung führe nicht nur zu Rationierungen bei Gesundheitsleistungen in der Patientenversorgung, sondern werde seit Jahren auf dem Rücken des Personals ausgetragen, so der allgemeine Tenor. Der Rückgang von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in der Pflege, die gefährdete Versorgung im Heilmittelbereich, die Überlastung von Pflegepersonal und Krankenhausärzten, besonders mit überbordender Bürokratie, die Versorgungsengpässe in ländlichen Regionen und die wachsende Arbeitslosigkeit von Arzthelferinnen sind allesamt Auswirkungen einer verfehlten Politik. Kaputtsparen und reine Profitorientierung führen lediglich zu Demotivation der Beschäftigten im Gesundheitswesen“, kritisierten die Fachberufevertreter.
Im Anschluss daran erläuterte Prof. Dr. Jörg-D. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, dass momentan keine definitiven Aussagen über die Richtung einer Gesundheitsreform auszumachen seien. „Die Rahmenbedingungen sind bekannt, im Koalitionspapier stehen grobe Eckpunkte, wie diese jedoch ausgestaltet werden sollen, wird sich in den nächsten Wochen herauskristallisieren“, so Hoppe.
Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens
Die Konferenz beschäftigte sich auch mit den Entwicklungen in der Berufsbildung in Europa. Dipl. Päd. Rosemarie Bristrup von der BÄK erläuterte die Vorstellungen der Europäischen Kommission zur Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF), der als Bezugssystem für die nationalen Bildungssysteme eingeführt und in den Mitgliedsstaaten Transparenz, Durchlässigkeit und Mobilität im Bereich der Bildung schaffen soll.
Durch die Fokussierung auf die Umsetzung des Bolognaprozesses, der sich auf den Umbau der deutschen Hochschulausbildung auf das Bachelor- und Mastersystem bezieht, hat die EU 2002 zum Thema „berufliche Bildung: Lebenslanges Lernen“ den Brügge-Kopenhagen Prozess angestoßen. Ziel ist die Förderung von Wachstum und Beschäftigung innerhalb der EU (Strategie von Lissabon), um neben dem amerikanischen und asiatischen Markt als starke Wirtschaftskraft bestehen zu können.
Der EQF als übernationaler Metarahmen soll:
der Vergleichbarkeit von europäischen Bildungsabschlüssen und beruflichen Qualifikationen dienen,
alle Ebenen und Formen der beruflichen und allgemeinen Bildung umfassen, einen starken Bezug zum Arbeitsmarkt haben, Referenzrahmen für ECTS (European Credit Transfer System) und ECVET sein, Anerkennung und Anrechnung von Bildungsleistungen ermöglichen, lebenslanges Lernen fördern, das Vertrauen in die Qualität anderer Bildungssysteme herstellen.
ECVET: European Credit Transfer System for Vocational Education and Training System
Dabei handelt es sich um ein System zur schrittweisen Erlangung von Punkten, das auf Kompetenzen aufbaut, die eine Person während ihres gesamten Lebensweges erworben hat, unabhängig von der Art und Weise wie diese erworben wurden.
Das Konzept EQF
Das EQF ist ein hierarchisch aufgebautes Stufensystem mit acht Niveaustufen.
Lernergebnisse aus Kenntnissen, Fertigkeiten und persönlicher und fachlicher Kompetenz werden den acht Niveaustufen zugeordnet.
EQF Umsetzung: Freiwilligkeit der Anwendung und Nutzung in den Mitgliedsstaaten Keine rechtliche Festlegung Zuordnung von Teilqualifikationen auf nationaler Ebene Transparenter Kriterienkatalog für die Zuordnung Bezug zu Qualitätssicherungssystemen Einbindung sektoraler Initiativen
Der formale Vorschlag der Kommission ist für das Frühjahr 2007 geplant.
Richtlinie 2005/36/EG zur Anerkennung von Berufsqualifikationen
Gertrud Stöcker, Deutscher Verband für Pflegeberufe, erläuterte die Richtlinie 2005/36/EG zur Anerkennung von Berufsqualifikationen. Der Beschluss des europäischen Parlamentes und des Rates vom Juni 2005 umfasst nach dreijähriger kontroverser Debatte die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse von 150 Berufen. Die neue Richtlinie modernisiert bestehende Rechtsvorschriften zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen, ohne die bisher geltenden Grundprinzipien zu verändern.
Hauptziele aus Sicht der EU - Kommission:
Flexibilisierung von Arbeits- und Dienstleistungsmärkten Bessere Verwaltung und bessere Information sowie Beratung der Bürger Einfacher und offener Regelungsumsatz
Für den Bereich Pflege kritisierte Gertrud Stöcker die fehlende Sicherstellung eines vergleichbar hohen Niveaus. Die Initiativen des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Bereich des dualen Bildungssystems seien sehr hoch, hätten aber die Erstausbildung der Gesundheitsberufe überhaupt nicht im Visier.
Der Elektronische Heilberufs- und Berufeausweis
Der Aufbau eines elektronischen Informations- und Datenaustausches in Deutschland in Form der elektronischen Gesundheitskarte für Versicherte sowie von Heilberufs- und Berufeausweisen für die Gesundheitsberufe war ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz.
Nach einem Eingangsstatement von Philipp Stachwitz, Vertreter der BÄK im Projektbüro Health Professional Card, folgten Statements aus Sicht der Fachberufe sowie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit Rheinland-Pfalz.
Der Elektronische Heilberufs- und Berufeausweis ist mit mehreren Problemen verbunden. Wenn die elektronische Patientenakte eingeführt wird, müssen alle Leistungserbringer, die zur Patientenversorgung berechtigt und zugelassen sind, Zugangsmöglichkeiten zu den entsprechenden Daten schaffen. Die
Leistungserbringer müssen nicht nur mit entsprechender Hardware ausgestattet sein, sondern sie müssen sich auch mit einer entsprechenden Berechtigungskarte die Daten beschaffen. Dies soll über den Heilberufsausweis bzw. den Berufeausweis ermöglicht werden.
Nun muss zunächst geklärt werden, wie dieser Ausweis im Einzelnen aussehen soll, bzw. welche Daten er enthalten muss, damit der Leistungserbringer zur Dateneinsicht des Patienten berechtigt ist. Zum zweiten müssen diese Karten hergestellt und ausgegeben werden. Während bei Ärzten, Zahnärzten und Apothekern dies automatisch über die Kammern erfolgt, ist diese Frage bei den Gesundheitsfachberufen noch völlig ungeklärt. Betroffen davon sind ca. 40 verschiedene Berufe, die sowohl stationäre wie ambulante Arbeitsfelder betreffen. Zudem sind ganz unterschiedliche Behörden (ca. 200 in ganz Deutschland) für diese Berufe zuständig.
Folgende Handlungsalternativen gibt es:
Herausgabe durch Private Unternehmen oder öffentliche Stellen (Behörden) Für jede Berufsgruppe alleine oder berufsgruppenübergreifend Regionale Lösung (16 Länder) oder bundeseinheitlich
Es erging der Appell an die Gesundheitsberufe, möglichst bald diesbezüglich ein tragbares Konzept zu entwickeln, bevor von den bisherigen Entscheidungsträgern Lösungen getroffen werden, die möglicherweise nicht im Interesse der Angehörigen der Berufsgruppen sind. Der ZVK wird in den verschiedenen Arbeitsgruppen dieses Thema einbringen und bearbeiten. Die Zeit drängt, da 2007 die ersten Tests durchgeführt werden sollen und die Gesundheitsfachberufe hier möglichst beteiligt sein sollten.
Integrierte Versorgung
Mehr Erfolg auf dem Weg der ständigen Qualitätsverbesserung versprechen sich die Berufsvertreter davon, die Motivation der Beschäftigten und das interne Qualitätsmanagement zu fördern. Gute Ansätze, das deutsche Gesundheitswesen auf der Grundlage der international anerkannten Stärken weiterzuentwickeln, sehen die Verbände auch im Ausbau interprofessioneller Strukturen.
Dazu gehören u.a. die in der Konferenz vorgestellten Projekte zur Integrierten Versorgung, die wiederum nur bewiesen, wie unterschiedlich die Ausgestaltung der IV-Verträge in der Praxis gehandhabt wird. „Die Initiativen der Berufsgruppen und der Selbstverwaltung und die Unterstützung der Vertrauenskultur in der Patientenversorgung sind positive Signale und sollten auch politisch gefördert werden“, erklärten die Vertreter der Fachberufe.
Insgesamt ist es erfreulich zu beobachten, wie sich die Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen aus einem anfänglich reinen Austauschgremium inzwischen in eine ernstzunehmende Plattform der Zusammenarbeit entwickelt hat. Dies ist vor allem der Bundesärztekammer und hier ganz besonders Prof. Jörg- Dietrich Hoppe zu verdanken, der sich mit großem Engagement und Interesse der Belange der Fachberufe annimmt. Nur so ist es möglich, die Qualität im Gesundheitswesen zu erhalten und zu verbessern sowie einer Rationalisierung gemeinsam entgegenzuwirken.
Ulrike Steinecke