Mitglied werden
21.03.2006 – Bundesverband

Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG)

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beschäftigt sich am 5. April 2006 mit dem Gesetz für mehr Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG).
Die Unionsmehrheit in der Länderkammer hatte das von CDU/CSU und SPD im Bundestag bereits verabschiedete Gesetz am 10. März 2006 nicht bestätigt. Es kann damit nicht wie geplant zum 1. April in Kraft treten. Als Grund für den Einspruch führten die unionsregierten Länder die so genannte Bonus-Malus-Regelung sowie Bestimmungen zur Festbetragsregelung an. Das AVWG ist nicht zustimmungspflichtig. Der Bundestag kann den Einspruch der Länder bei einem Scheitern im Vermittlungsauschuss mit Kanzlermehrheit zurückweisen. Durch die Verzögerung geraten jedoch die von den Krankenkassen dringend benötigten Einspareffekte bei den Arzneimittelausgaben für das laufende Jahr in Gefahr. Ein Einsparvolumen von rund einer Milliarde Euro haben die Krankenkassen für 2006 eingeplant. Ab 2007 soll das AVWG 1,3 Milliarden Euro jährlich sparen helfen. Jeder Monat Verzögerung kostet 120 Millionen \"Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses sollten rasch über das Arznei-Sparpaket entscheiden\", forderte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Hans Jürgen Ahrens, nach der Entscheidung im Bundesrat. \"Jeder Monat Verzögerung kostet die Beitragszahler der Kassen rund 120 Millionen Euro, weil die vorgesehenen Einsparungen ausbleiben Die Krankenkassen brauchen diese Entlastung jedoch dringend.\" 25,4 Milliarden für Arzneimittel Die gesetzlichen Krankenkassen haben im Jahr 2005 rund 25,39 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben - 3,56 Milliarden oder 16,8 Prozent mehr als 2004. Im Januar 2006 hat sich die Entwicklung fortgesetzt: Mit 1,94 Mrd. Euro lagen sie um 14,5 Prozent höher als im Januar 2005. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Vorabend der Bundesratssitzung vergeblich versucht, die Unionsländer vom Einspruch gegen das Gesetz abzubringen. Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Marion Caspers-Merk (SPD) kritisierte die unionsregierten Länder am Freitag scharf. Durch das Vermittlungsverfahren werde das Vorhaben unnötig aufgehalten. Das koste die Beitragszahler Miilionen und schone die Pharmabranche. Caspers-Merk betonte, dass die Kernelemente des Gesetzes im Koalitionsvertrag von Union und SPD unter Mitwirkung der Länder verabredet worden seien. Sie warf diesen vor, sich unter dem Druck von Verbänden und Lobbygruppen aus der Verantwortung zu stehlen. Der Bundesrat tritt erst wieder am 7. April zusammen. Es ist das erste Mal seit Amtsantritt der Großen Koalition, dass die Länder ein Gesetz stoppen. Mit seiner Entscheidung folgte der Bundesrat am 10. März der Empfehlung seines Gesundheitsausschusses. Die Bundesregierung hatte das AVWG als Sofortmaßnahme gegen die weiter steigenden Arzneimittelausgaben auf den Weg gebracht. Die wichtigsten Inhalte des AVWG:
  • Die Krankenkassen können künftig Arzneimittel von der Zuzahlung befreien, wenn der Preis des Medikaments mindestens 30 Prozent unterhalb des Festbetrags liegt. Patienten erhalten so einen Anreiz, bei ihrem Arzt auf der Verordnung eines solchen preisgünstigen Präparates zu bestehen. Deren Marktanteil soll damit erhöht werden. Seit der Gesundheitsreform 2004 zahlen die Patienten für ein verordnetes Arzneimittel zehn Prozent des Preises –mindestens aber fünf und maximal zehn Euro – aus der eigenen Tasche.
  • Die Festbeträge für Arzneimittel werden abgesenkt. Krankenkassen können mit Pharmaherstellern spezielle Rabattverträge abschließen, um dadurch Mehrkosten der Versicherten für Medikamente zu verhindern, deren Preis über dem Festbetrag liegt.
  • Arzneimittel, die eine therapeutische Verbesserung darstellen, bleiben von Festbeträgen freigestellt.
  • Die Verantwortung der Ärzte für die Wirtschaftlichkeit ihrer Arzneimittelverordnungen wird durch eine Bonus-Malus-Regelung gestärkt. Dazu vereinbaren die Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) jedes Jahr für bestimmte Arzneimittelgruppen so genannte Durchschnittskosten pro definierte Dosiereinheit, die sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergeben. Ärzte, die diese Werte überschreiten, müssen einen Teil der Mehrkosten selbst tragen. Unterschreiten die Medikamentenausgaben einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) den festgelegten Betrag, zahlen die Krankenkassen einen Bonus an diese KV. Die verteilt den Bonus an die wirtschaftlich verordnenden Ärzte.
  • Diese Bonus-Malus-Regelung gilt nur, wenn Kassen und Kassenärztliche Vereinigung auf Landesebene keine andere Vereinbarung erzielen, mit der die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung verbessert wird.
  • Krankenhäuser sollen bei der Entlassung der Patienten nur jene Arzneimittel anwenden, die auch bei einer weiteren Medikamententherapie im Anschluss an die Klinik wirtschaftlich und zweckmäßig sind.
  • Für Arzneimittel, die zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden können, gilt ein zweijähriger Preisstopp.
  • Generika-Hersteller gewähren den Kassen einen Abschlag von zehn Prozent des Herstellerabgabepreises ohne Mehrwertsteuer.
  • Naturalrabatte der Pharmahersteller an die Apotheken werden verboten. Barrabatte außerhalb der Arzneimittelpreisverordnung sind weiterhin möglich.
  • Die Praxis-Software in der Arztpraxis muss künftig manipulationsfrei sein.
In der Sachverständigen-Anhörung des Gesundheitsausschusses am 18. Januar 2006 hatten die Spitzenverbände der Krankenkassen das geplante Arzneimittelsparpaket grundsätzlich begrüßt, gleichzeitig aber Korrekturen gefordert. Denn die durch das Gesetz angestrebte Entlastung werde nicht erreicht und durch die 2007 anstehende Mehrwertsteuererhöhung weiter reduziert. Um das geplante Einsparvolumen zu erreichen, hatten die Kassen vorgeschlagen, für Medikamente den halben Mehrwertsteuersatz einzuführen. Sie plädierten zudem dafür, den so genannten Apotheken-Fixzuschlag von jetzt 8,10 Euro pro abgegebener Arzneimittelpackung auf 7,45 Euro zu senken. Einsparvolumen: weitere 400 Millionen Euro im Jahr. Als problematisch hatten die Spitzenverbände die vorgesehene Absenkung bei Festbeträgen bezeichnet. Dadurch seien nur noch etwa 45 Prozent aller Verordnungen zum Festbetrag erhältlich. Sollten die Hersteller ihre Preise nicht entsprechend verringern, sei eine weiteren finanzielle Belastung der Patienten wahrscheinlich: Sie müssten dann die Differenz zwischen Festbetrag und Abgabepreis aus eigener Tasche bezahlen. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) plädierte in seiner Stellungnahme für Korrekturen an den geplanten Änderungen im Festbetragssystem. Dieses Instrument dürfe \"auch in seiner Effizienz nicht durch neue gesetzliche Auflagen behindert werden\". Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lehnte den Gesetzentwurf in der Anhörung vor allem wegen der Bonus-Malus-Regelung ab. Er vergrößere Bürokratie und Intransparenz, treibe Ärzte in die Ethikfalle und werde die Senkung der Arzneimittelkosten bei gleichbleibender Qualität nicht bewirken. SPD und Union hatten am 15. Dezember 2005 ein Arzneimittelsparpaket in den Bundestag eingebracht. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung reagiert die Große Koalition darauf, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen 2005 um mehr als 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Im ursprünglichen Entwurf des Gesundheitsministeriums waren noch ein Preisstopp für drei Jahre sowie die Verpflichtung für die Pharmaindustrie enthalten, die Belastung der Krankenkassen durch die geplante Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 aufzufangen. Die Krankenkassen müssten durch die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent rund 900 Millionen Euro jährlich mehr bezahlen. Krankenhaus-Ausgaben (Steigerungsrate) Bestandteil des AVWG ist auch eine Änderung des Berechnungsverfahrens für die jährliche Steigerungsrate der Krankenhausausgaben in den Jahren 2006 und 2007. Danach dürfen die Ausgaben bundesweit um 0,63 Prozent steigen (ursprünglich: 0,83 Prozent im Westen und 1,41 Prozent im Osten). So will der Gesetzgeber einen ungerechtfertigten Ausgabenanstieg verhindern. Hintergrund: Um die Beitragssätze stabil zu halten, dürfen die Klinikausgaben nur in dem Maße steigen, wie sich die beitragspflichtigen Einnahmen der Kassen entwickeln. Diese wurden bislang pro zahlendem Mitglied berechnet. Mitversicherte Familienangehörige wurden nicht berücksichtigt. Durch die Hartz-IV-Gesetze wurden jedoch viele Kassenmitglieder zu beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen. Dadurch steigen rein rechnerisch die Beitragseinnahmen je Mitglied, ohne dass aber die Finanzkraft der Krankenkassen steigt. Wenn die Krankenkassen jedoch real keine Mehreinnahmen haben, können sie diese nach Ansicht der Kassen auch nicht an die Krankenhäuser weitergeben, ohne Beitragssatzanstiege zu riskieren. Deshalb hat der Gesetzgeber für 2006 und 2007 diese statistischen Effekte herausgerechnet und eine Steigerungsrate \"je Versicherten\" zu Grunde gelegt. Quelle: www.aok-presse.de