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24.09.2012 – Fachkreise

Bundeskongress Physiotherapie: fachlich, politisch und kommunikativ!

Berufseinsteigerforum, berufspolitische Podiumsdiskussionen, Schwerpunktthemen Wirbelsäule, Kind, Fuß und Forschung sowie Workshops, Referate, Weltcafé und eine vielfältige Industrieausstellung erwarteten die Teilnehmer vom 20. bis 22. September 2012 in Leipzig.
Rund 600 Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten haben das vielschichtige Angebot des diesjährigen Bundeskongresses Physiotherapie genutzt und sich aus erster Hand informiert.

Physiotherapeuten zu Gast in Leipzig

Die sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Christine Clauß, begrüßte alle Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses. Sie betonte den Stellenwert der Physiotherapie: "Sie sind die Experten"! Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Landesverbandes Sachsen im Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK), Annerose Anys, und der Bundesvorsitzenden Ulrike Steinecke eröffnete die Staatsministerin den Bundeskongress Physiotherapie.
Der Festvortrag im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung machte einmal mehr deutlich, wie wichtig der Blick über den eigenen Tellerrand ist. In einem eindrucksvollen und mitreißenden Vortrag animierte der Leiter der Sprachtherapie der Asklepios Klinik Schaufling, Holger Grötzbach, alle Anwesenden, die Teilhabe der Patienten am gesellschaftlichen Leben noch viel stärker als bislang in den Mittelpunkt aller therapeutischen Bemühungen zu stellen. Viel zu oft würden die Ziele der Therapie für den Patienten festgelegt, statt diese mit ihm gemeinsam auf die individuelle Lebenssituation abzustimmen. Hier läge Potenzial brach, das es zu nutzen gilt. Der Appell, bei der Festlegung von Zielen nicht nur über sondern in erster Linie mit dem Patienten zu sprechen, begleitete alle weiteren Veranstaltungen des Kongresses auf sehr positive Weise. "Holger Grötzbach hat es auf den Punkt gebracht und mir als langjährige Physiotherapeutin aus der Seele gesprochen", betonte eine Kongressteilnehmerin nach der Eröffnungsveranstaltung.

Physiotherapie ist vielschichtig und bietet zahlreiche Möglichkeiten

Nicht nur Schülerinnen und Schüler der Physiotherapieschule Leipzig lauschten den Referenten im Berufseinsteigerforum am Freitag, auch erfahrene Kollegen ließen sich inspirieren, welche vielfältigen Möglichkeiten der Beruf des Physiotherapeuten bietet. Ulrike Steinecke machte es im ersten Vortrag des Tages deutlich: "Jeder sollte seine Stärken fördern und sich ein Tätigkeitsfeld in der Physiotherapie suchen, in dem die eigenen Stärken möglichst umfassend eingesetzt werden können. Denn damit bleibt nicht nur der Spaß im und am Beruf erhalten, man ist auch deutlich erfolgreicher und bildet sich zielgerichtet weiter". Physiotherapeuten verinnerlichen ab dem ersten Tag, dass ihre Tätigkeit von lebenslagem Lernen geprägt ist. Sie sind wissenshungrig und neugierig. Oft starten die jungen Kolleginnen und Kollegen direkt nach der Ausbildung mit Fort- und Weiterbildungen. "Qualität und Nutzen werden hierbei zu selten kritisch hinterfragt", betont der Physiotherapeut und Geschäftsführer der Physio-Akademie, Heiko Dahl. Dabei gäbe es durchaus Kriterien, die man als Interessent beurteilen könnte. Neben Preis, Ort und Referentenqualifikation sollten gerade Berufseinsteiger einen Blick auf die Tendenzen im Heilmittelbereich werfen. Denn: Die Perspektiven, Bedürfnisse und Anforderungen ändern sich heutzutage viel schneller als noch vor 20 Jahren. Das bietet gerade jungen Kollegen viele Chancen und Möglichkeiten: studieren, Fortbildungen besuchen oder vielleicht doch im Ausland arbeiten? Das Berufseinsteigerforum lieferte Interessierten Einblicke in die Varianten unseres Berufes.

Fachliches praxisnah und fundiert: für jeden etwas dabei!

Auch die vier Schwerpunktthemen in diesem Jahr sind ein Spiegelbild der Vielseitigkeit und des Spektrums der Physiotherapie. Am Freitag ging es um den Brennpunkt Wirbelsäule und um zwei Dinge, die das Kind braucht: Wurzeln und Flügel! Am Samstag ging es fachlich um Fuß und Knie als Schlüsselgelenke für den aufrechten Gang. Parallel stand das Forschungssymposium ganz im Zeichen der evidenzbasierten Praxis. Alle Themen lieferten Berufseinsteigern, erfahrenen Therapeuten und Studierenden fundierte Erkenntnisse und Erfahrungen aus erster Hand. Im Rahmen der Vorträge und Workshops haben die Referenten zahlreiche physiotherapeutische Studien vorgestellt und Therapieansätze vertieft.

Weltcafé: reger Austausch junger Physiotherapeuten

"Die Gespräche an unseren Thementischen waren fruchtbar, interaktiv und auch ein bisschen kontrovers", bilanzierte die Sprecherin des BundesStudierendenRates, Carolin Bontrup, nach Abschluss des gut besuchten Weltcafés. Gemeinsam mit dem BundesJuniorenRat waren die Kollegen von morgen eingeladen, über aktuelle Themen wie zum Beispiel "Ausbildung und/oder Studium - was ist anders?" zu sprechen und Gedanken dazu aufzuschreiben. Aber nicht nur junge Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten nutzten dieses Angebot - auch erfahrene Kollegen und Verbandsfunktionäre diskutierten rege mit.

Weitere Highlights am Samstag: berufspolitische Podiumsdiskussionen zur Akademisierung und zum Direktzugang!

"Alle fachlichen Aspekte unseres Berufs hängen direkt mit den aktuellen Themen der Berufspolitik zusammen", ist sich die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK), Andrea Rädlein, sicher. Die Brücke zwischen Fachlichem und Berufspolitischen haben in Leipzig – neben vielen Einzelgesprächen der Verbandsfunktionäre – vor allem die beiden hochkarätig besetzen Podiumsdiskussionen geschlagen. Am Samstagvormittag stand der Direktzugang des Patienten zum Physiotherapeuten auf der Agenda. Unter der Moderation von Ulrike Steinecke diskutierten Dr. med. Jörg Heinze, Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin und Vertreter des Spitzenverbandes der Fachärzte Deutschlands e.V., René Klinke, Referatsleiter der Abteilung sonstige Vertragspartner ambulante Versorgung des vdek, , Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates, Julia Kayser, Physiotherapeutin mit Masterabschluss und Erfahrungen zum Direktzugang aus den Niederlanden, Andrea Rädlein,  stellvertretende Bundesvorsitzende und Heinz Christian Esser, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK) über die Chancen und Hürden des Direktzugangs in Deutschland. Durchaus kontrovers haben die Podiumsteilnehmer ihre Positionen vertreten. Aus physiotherapeutischer Sicht überwiegen die Vorteile für die Patienten – sowohl fachlich als auch wirtschaftlich. Die Kostenträger sehen sich verschiedenen Interessensgruppen ausgesetzt und die Ärzte sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen als nicht gegeben an. Wieder einmal ergab die Diskussion auf dem Podium und mit den Anwesenden, dass die Patientenversorgung nur gemeinsam optimiert werden kann. Am Ende haben sowohl René Klinke (vdek) und Dr. Jörg Heinze Bereitschaft für das von Andrea Rädlein ausgesprochene Gesprächsangebot des Verbandes signalisiert. Nur gemeinsam wird man hier einen Schritt weiter kommen! Die Teilnehmer des Podiums zur Akademierung und deren Nutzen am Nachmittag waren sich einig: Physiotherapeuten müssen in Zukunft akademische Qualifikationen haben! Auf dem Podium vertreten waren eine Vertreterin eines Arbeitgebers, ein Professor, ein Lehrer und eine Studierte. Dr. Erwin Scherfer gelang es als Moderator nicht nur das Publikum mit in die Diskussion einzubeziehen, sondern auch beim Thema Akademisierung eine Brücke zwischen Praxis und Theorie sowie zwischen Ist-Zustand und Zukunft herzustellen. Der Anspruch an eine sich kontinuierlich verändernde Versorgungslandschaft ist hoch. Gerade die Therapieberufe haben einen großen Nachholbedarf an Forschung und der Nutzen akademischer Kompetenzen für den Patienten muss transparent werden. Eins steht fest: Die Akademisierung ist – wie der Direktzugang auch – kein Selbstzweck einer Berufsgruppe, sondern es sind die Erfordernisse für eine optimierte Patientenversorgung in Deutschland!

Industrieausstellung sehr gut besucht

"Produkte testen, persönliche Beratung oder einfach mal inspirieren lassen“, lauteten die Ansprüche von Kongressteilnehmern an die ausgebuchte Industrieausstellung. Teilnehmer und Aussteller waren sehr zufrieden und lobten die Atmosphäre in den Pausen des Kongresses. "Es war ein spannender und erfolgreicher Kongress in Leipzig mit vielen fachlichen und berufspolitischen Gesprächen und Diskussionen. Wir haben getagt, gelernt, diskutiert und auf der Get-together-Party am Freitagabend auch noch ausgiebig gefeiert. Vielen Dank an alle Teilnehmer und Referenten für diese unvergesslichen Tage in Leipzig", bilanziert die Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK), Ulrike Steinecke. Unter www.bundeskongress-physiotherapie.de finden Interessierte in den nächsten Wochen die Präsentationen der Referenten, die einer Veröffentlichung ihrer Inhalte zugestimmt haben. Nach einem Kongress ist auch immer vor einem Kongress: Über die aktuellen Veranstaltungen informieren wir kontinuierlich auf der Fachkreise-Seite unter www.physio-deutschland.de im Veranstaltungskalender und in den News auf der Seite. Ute Merz
(Physiotherapeutin und Pressereferentin)