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22.10.2020

Corona Update: Aktualisierte Teststrategie des Bundesministeriums für Gesundheit

Am 15. Oktober 2020 ist die neue Teststrategie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in Kraft getreten. Mit ihr rückt die Testung von Personen mit höherem Infektionsrisiko stärker in den Mittelpunkt. Welche Auswirkungen die Testvorgaben auf physiotherapeutische Praxen haben, hat PHYSIO-DEUTSCHLAND für Sie im folgenden Artikel zusammengefasst.

Welche Testmöglichkeiten gibt es?

Die Polymerase-Chain-Reaction (PCR) gilt als Goldstandard bei der Testung auf SARS-CoV-2. Dabei wird ein Abstrich aus dem Mund-Rachenraum und/oder Nasen-Rachenraum genommen. Dieser wird unter Hinzugabe verschiedener chemischer Bestandteile (Primer, Polymerasen, Phosphate, Stabilisatoren) in einem Puffer gelöst und durchläuft anschließend mehrere Zyklen in einem Thermocycler, bei der das in der Probe vorhandene Erbgut vervielfältigt wird. Je weniger Zyklen benötigt werden, um Viruserbgut in der Probe nachzuweisen, umso mehr Viruslast und damit höhere Infektiösität wird angenommen. Der PCR-Test kann sehr zuverlässig kleinste Virenbestandteile aufspüren, allerdings ist der Testablauf nur in entsprechend ausgestatteten Laboren möglich und zeit- und kostenintensiv.

Neben dem PCR-Test existieren seit einigen Monaten auch sogenannte Point-of-Care-Schnelltests (PoC), die auf dem Nachweis von Antigenen basieren. Antigen-Schnelltests sollen dabei helfen, hochinfektiöse Personen schnell zu erkennen, indem sie Proteinstrukturen der Virushülle im Probenmaterial nachweisen. Dafür muss ebenso wie beim der PCR-Test ein Abstrich aus dem Nasen- oder Mund-Rachen-Raum genommen werden. Dieser wird in einem Puffer gelöst und kann anschließend auf einen Teststreifen aufgebracht werden, der innerhalb von 15-30 Minuten ein Ergebnis zeigt.

PoC-Schnelltests liefern deutlich schneller Ergebnisse als die PCR-Testung und können auch ohne entsprechende Laborausstattung genutzt werden. Beide Verfahren sind jedoch sehr abhängig von der Qualität des Probenmaterials, weshalb alle Tests bislang nur von medizinischem Personal durchgeführt werden dürfen. In Zukunft sollen auch Antigen-Tests zum vollständigen Eigengebrauch vertrieben werden, bislang ist aber kein derartiges Testverfahren zugelassen. Laut Angaben der Hersteller liefern Schnelltests ähnlich zuverlässige Ergebnisse wie der PCR-Test. Das Cochrane-Insitut verweist in einem Review aber darauf, dass noch zu wenig Evidenz besteht, um die Effektivität der Tests abschließend beurteilen zu können. Das Review finden Sie hier: https://www.cochrane.de/de/news/schnelle-antigen-und-molekular-basierte-point-care-tests-zur-diagnose-von-sars-cov-2
Das BMG sieht die PoC-Tests daher nur als eine Ergänzung zur PCR-Testung vor.

Wer kann sich testen lassen?

Die neue Testverordnung des BMG definiert fünf unterschiedliche Prioritätsstufen. Je nach Anforderung wird dabei vorwiegend auf PCR-Tests oder PoC-Tests zurückgegriffen, ein positiver PoC-Test muss jedoch in jedem Fall durch einen nachfolgenden PCR-Test bestätigt werden. Durch dieses Vorgehen sollen die Laborkapazitäten effizient verteilt und Risikogruppen besser geschützt werden.

  • Prioritätsstufe 1: Unter diese fallen alle Personen, die entsprechende Symptome einer COVID-19 Erkrankung aufweisen (beachten Sie hierzu auch unseren Artikel vom 9. Oktober 2020). Die Kosten des PCR-Tests werden von den Krankenkassen im Rahmen der Krankenbehandlung vollständig übernommen.
     

  • Prioritätsstufe 2:

    • Kontaktpersonen eines bestätigten COVID-19-Falls;

    • Patienten, Bewohner, Betreute und Personal in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitationseinrichtungen, Zentren für ambulante Operationen und ambulante Dialysen bei einem Ausbruch der Erkrankung in der entsprechenden Einrichtung;

    • Personal in ambulanten Praxen bei einem Ausbruch der Erkrankung in der Praxis.

      Diese Personen haben Anspruch auf einen PCR-Test, direkte Kontaktpersonen des COVID-19-Falls können sich, ebenso wie symptomatische Personen, im Rahmen der Krankenbehandlung testen lassen, bei allen anderen ordnet das Gesundheitsamt die Testung an.
       

  • Prioritätsstufe 3:

    • Alle nicht zum Personal gehörenden Personen in Einrichtungen oder Unternehmen nach §§ 23 Abs. 3 und 36 Abs. 1 IfSG (z.B. Schulen, Kitas, Arztpraxen) die von einem Ausbruch betroffen sind;

    • Patienten, die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitationseinrichtungen, Zentren für ambulante Operationen und ambulante Dialysen neu oder wieder aufgenommen werden.

      Die Testung erfolgt auch in dieser Stufe per PCR-Test, im ersten Fall angeordnet durch das Gesundheitsamt, im zweiten Fall im Rahmen der Aufnahme in die entsprechende Einrichtung und finanziert über das Krankenhausfinanzierungsgesetz.
       

  • Prioritätsstufe 4:

    • Personal in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitationseinrichtungen, Zentren für ambulante Operationen und ambulante Dialysen ohne COVID-19 Fall;

    • Personal von ambulanten Praxen ohne COVID-19 Fall.

      Diese Gruppen haben wiederholt Anspruch auf PoC-Schnelltests (bis zu einmal pro Woche), wenn der Inzidenzwert einer Region sieben Tage über 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner liegt. Die Kosten dafür werden aus dem Gesundheitsfonds finanziert.
       

  • Prioritätsstufe 5:

    • Besucher von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitationseinrichtungen, Zentren für ambulante Operationen und ambulante Dialysen, wenn der Sieben-Tages-Inzidenzwert über 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner liegt;

    • Einreisende aus Risikogebieten.

      Besucher sollen vorwiegend per PoC-Schnelltest getestet werden, Einreisende aus Risikogebieten weiterhin per PCR-Test an den Flughäfen und Bahnhöfen.

Eine Zusammenfassung aller Testkriterien finden Sie auch in folgender Grafik: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Nationale_Teststrategie_Grafik_131020.pdf

Was bedeutet die Teststrategie für physiotherapeutische Praxen?

Physiotherapeutische Praxen gehören als Heilberufe zu den ambulanten Praxen. Daher hat das Personal bei Ausbruch der Erkrankung innerhalb einer Praxis Anspruch auf einen PCR-Test (Prioritätsstufe 2). Die lokalen Gesundheitsämter sind in diesem Fall erste Ansprechpartner und entscheiden über die notwendigen Tests und etwaige Quarantäneanordnungen.

Personal, das Symptome vom COVID-19 zeigt, sollte sich ab Symptombeginn zunächst häuslich isolieren und den Hausarzt verständigen. Dieser kann im Rahmen der Krankenbehandlung eine Testung anordnen (Prioriätsstufe 1). Bei negativem Test kann die Arbeit nach 48-stündiger Symptomfreiheit wieder aufgenommen werden, bei positivem Test nach 14 Tagen und 48-stündiger Symptomfreiheit. Liegt in der Praxis ein relevanter Personalmangel vor und ist die Versorgung der Patient*innen nicht mehr gewährleistet, kann das Personal auch früher tätigt werden. Entsprechende Regelungen dazu finden Sie in unserem Artikel vom 09. Oktober 2020.

Liegt kein akuter COVID-19 Fall in der Praxis vor und zeigt das Personal keine entsprechenden Symptome, besteht ein Anspruch auf Testung (Prioritätsstufe 4), wenn

  •  der Inzidenzwert sieben Tage lang über 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern (Risikogebiet) liegt,

  • der öffentliche Gesundheitsdienst eine Testung veranlasst.

Die Testungen in Risikogebieten können als sogenannte Reihentestung für jeden Mitarbeiter einmal pro Woche mittels PoC-Tests wiederholt werden. Das genaue Verfahren und der Ablauf von Reihentestungen sind bislang noch nicht bekannt. Aus der neuen Testverordnung geht jedoch hervor, dass die Testveranlassung in physiotherapeutischen Praxen im Verantwortungsbereich der lokalen Gesundheitsämter liegt. Bitte kontaktieren Sie daher bei Rückfragen im Zweifelfall Ihre Gesundheitsbehörde vor Ort.