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22.06.2005 – Bundesverband

Das Jahr der „Qualitätssicherung in der Physiotherapie“ des ZVK

Eine Artikelserie über Leitlinien und Qualitätsmanagement in der Physiotherapie sowie die Ergebnisse aus der vielfältigen Arbeit des Berufsverbandes zur Qualitätssicherung in der Physiotherapie
Die Qualität der angebotenen Leistungen in allen Dienstleistungsbereichen, insbesondere auch im Gesundheitsbereich, muss immer mehr bewiesen werden. Daher hat der Deutscher Verband für Physiotherapie - Zentralverband der Physiotherapeuten/Krankengymnasten (ZVK) e.V. 2005 als das Jahr der Qualitätssicherung ausgerufen. Die physiotherapeutischen Leistungen wurden zwar bisher im Allgemeinen nicht in Frage gestellt. Der Physiotherapeut muss allerdings zukünftig seine Arbeit transparent darstellen und als qualitätsgesichertes Angebot auch „verkaufen“ können. Um diesen Prozess zu unterstützen, wird der ZVK eine Artikelserie über Leitlinien und Qualitätsmanagement in der Physiotherapie sowie die Ergebnisse aus der vielfältigen Arbeit des Berufsverbandes zur Qualitätssicherung in der Physiotherapie in den „Mitteilungen des Zentralverbandes“ veröffentlichen. Damit soll auch eine breitere Argumentationsgrundlage für alle kommenden Kürzungsdiskussionen der Gesundheitspolitiker geschaffen werden. Im folgenden die Zusammenfassung eines Artikels von Ulrike Steinecke, Vorsitzende des ZVK. Leitlinien Teil 1 Methodische Empfehlungen zur Entwicklung von Leitlinien Für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Leitlinien“ bedarf es zunächst einer genauen Begriffsdefinition. Häufig wird „Leitlinie“ im Sinne von Standard, Norm, Richtlinie oder Behandlungspfad verwendet. In der Medizin gibt es jedoch eine klare Definition für den Begriff der „Leitlinie“ und vor allem und das ist das Wesentliche, ein klar strukturiertes Verfahren zur Erstellung von Leitlinien. Dies ist auch notwendig, wenn die Leitlinie allgemein gültig sein soll. Definition und Erläuterung des Begriffs „Leitlinie\" (Quelle: AWMF online: Methodische Empfehlungen für die Erarbeitung von Leitlinien) (orientiert an der Definition der Agency for Health Care Policy and Research für die \"Clinical Practice Guidelines\" der USA): „Leitlinien sind systematisch entwickelte Darstellungen und Empfehlungen mit dem Zweck, Ärzte und Patienten bei der Entscheidung über angemessene Maßnahmen der Krankenversorgung (Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge) unter spezifischen medizinischen Umständen zu unterstützen.“ Die Empfehlungen der Leitlinien können nicht immer in vollem Umfang umgesetzt werden. Die Entscheidung darüber, ob einer bestimmten Empfehlung gefolgt werden soll, muss vom Arzt unter Berücksichtigung der beim individuellen Patienten vorliegenden Gegebenheiten und der verfügbaren Ressourcen getroffen werden.“ Historie Die Entwicklung von Leitlinien in der Medizin geht auf eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) im Jahre 1995 zurück. Im Sommer 1999 einigten sich die wichtigsten Selbstverwaltungskörperschaften im Gesundheitswesen auf ein gemeinsames „Programm zur Qualitätsförderung von Leitlinien“. Im Sozialgesetzbuch V (SGB V) ist die Entwicklung von mindestens zehn evidenzbasierten Leitlinien pro Jahr festgelegt. Der Beschluss des Ministerrates der EU vom 10.10.2001 enthält detaillierte Empfehlungen zur Auswahl, Entwicklung und Evaluation von Leitlinien. Im Sommer 2000 haben sich die AWMF und die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ, gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung) auf eine gemeinsame Methodik für die Entwicklung medizinischer Leitlinien geeinigt (www.leitlinien.de und www.awmf-leitlinien.de). Die Grundlage bildete das „Instrument zur Leitlinienentwicklung“ der AGREE-Gruppe (Appraisal of Guidelines for Research and Evaluation in Europe). Vorgaben an Leitlinien Sie sollen einfach (checklistenartig) aber auch umfassend sein. Sie sollen die Diagnostik, Indikation, Kontraindikation, Therapie einschließlich adjuvanter Maßnahmen und die Nachbehandlung enthalten. Die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften werden in einem 3-stufigen Prozess entwickelt: 1.Stufe: Leitlinien dieser 1. Entwicklungsstufe werden als S1 Leitlinien bezeichnet. Dies ist die unterste Stufe der Leitlinienentwicklung. Eine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe erarbeitet eine Leitlinie, die vom Vorstand der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird. 2.Stufe: Die Leitlinien der Stufe 1 werden in einem bewährten formalen Konsensusverfahren beraten und als Leitlinien der Stufe 2 verabschiedet. 3. Stufe: S3 Leitlinie. Schließlich werden die Leitlinien der Stufe 2 um folgende fünf Komponenten erweitert: Logik, Konsenus, Evidence- based medicine (formale und transparente wissenschaftliche Beweisführung), Entscheidungsanalyse (formale Analyse der Kosteneffektivität:), Outcome-Analyse (formale Analyse des klinischen Gesamtergebnisses mit klarer Stellungnahme zur klinischen Relevanz mit Methoden der quantitativen und qualitativen Analyse. Die Erstellung von multidisziplinären Leitlinien ist selbst für die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ein immenser zeitlicher, personeller und finanzieller Aufwand. Und dies nicht nur für die höchste Stufe, die S3 Leitlinie, sondern auch schon für die S1 Leitlinie. Zahlenvergleich USA/Deutschland Bei der AWMF wurden inzwischen ca. 950 Leitlinien entwickelt, davon sind 65 S2 und S3 Leitlinien. Im Vergleich dazu die Leitlinienentwicklung in den USA: Von 1600 entwickelten Leitlinien sind nur ca. 20 S3 Leitlinien. Wir befinden uns also in guter Gesellschaft. Natürlich wird immer wieder geprüft, inwieweit Leitlinien aus anderen Ländern in Deutschland übernommen werden können. Die Leitlinien orientieren sich jedoch sehr stark an nationalen Gesundheitssystemen und so ist es leider oft nicht möglich, Leitlinien einfach zu übernehmen. Außerdem existiert in jedem Land ein eigener „state of the art“, der sich in den Leitlinien wiederfinden soll. Es geht also kein Weg daran vorbei, eigene nationale Leitlinien zu entwickeln. Gleichzeitig ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich im Zuge der Harmonisierung der Gesundheitssysteme auch die Leitlinien international angleichen werden.
\"DerDer komplette Artikel Leitlinien Teil 1 aus den Mitteilungen des Zentralverbandes (ZVK) Ausgabe Juni 2005 (nur für ZVK-Mitglieder)