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07.10.2019

Fachforen beim 2. TherapieGipfel brachten zahlreiche Anregungen

Die Summe der Anregungen und Vorschläge, die das Publikum des 2. TherapieGipfels einbrachte, war enorm. In insgesamt zwölf Fachrunden sagten Teilnehmer den Vertretern des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) ganz konkret, wo der Schuh drückt, welche Aspekte sie bislang zu wenig berücksichtigt sehen und was sie den SHV-Vertretern mit auf den Weg geben möchten.

Alle Ideen wurden dokumentiert und ausgewertet. Die Ergebnisse fließen in die weitere Verbandsarbeit des SHV ein. Denn zu tun gibt es genug in allen vier Hauptthemenfeldern – Vergütung, Blankoverordnung/Direktzugang, Akademisierung und Digitalisierung –. Die konkreten Hinweise der Teilnehmer helfen dabei, praxistaugliche Regelungen zu finden.

Da die rund 500 Teilnehmer des 2. TherapieGipfels immer nur einen Teil der Diskussionen in den Fachforen miterleben konnten, veröffentlicht der SHV hier alle Ergebnisse aus den Themenrunden und bedankt sich ausdrücklich bei Allen, die die Fachforen durch ihre Wortbeiträge und Anregungen bereichert haben.

Themenblock Blankoverordnung/Direktzugang

Bis zum 15. November 2020 soll aber feststehen, wie die Blankoverordnung konkret in die Regelversorgung aufgenommen wird. Die Verhandlungen zu den Rahmenbedingungen sollen in Kürze beginnen. Aktuell wird noch mit Hochdruck daran gearbeitet, offene Fragen zu klären, um dann mit einer einheitlichen Position in die Verhandlungen zu gehen. Die Ausgestaltung der Details ist ein Prozess, in dem die vielen Fragen der Teilnehmer Berücksichtigung finden werden:

  •  Wie wird bei der Blankoverordnung mit dem langfristigen Heilmittelbedarf umgegangen?

  •  Dürfen Therapeuten bei einer Blankoverordnung Einzel- und Gruppentherapie kombinieren?

  •  Wie wird die Blankoverordnung vergütet?

  •  Kann mit Blick auf den Fachkräftemangel überhaupt garantiert werden, dass die Behandlung binnen 28 Tagen beginnt?

  •  Werden die Verhandlungen überhaupt pünktlich abgeschlossen sein?

  •  Wie werden die Therapeuten dann informiert?

Einige Teilnehmer machten sich grundsätzliche Gedanken zur Blankoverordnung:

  •  Ist die Blankoverordnung als Übergangslösung zum Direktzugang zu sehen?

  •  Werden die Verordnungszahlen steigen?

  •  Könnte es sein, dass das Behandlungsvolumen insgesamt trotz steigender Verordnungszahlen sinkt, weil die Behandlungszeit kürzer wird als die üblicherweise vom Arzt verordnete Anzahl an Behandlungen?

Auch zum Direktzugang hatten Teilnehmer Fragen und Hinweise:

  •  Der Direktzugang kann viel Bürokratie abbauen.

  •  Therapeuten müssen den Direktzugang viel selbstbewusster fordern, denn Therapeuten sind hervorragend ausgebildet und können das.

  •  Haben Patienten ausreichend ‚Branchenwissen‘, um selbst entscheiden zu können, mit welchen Beschwerden sie einen Therapeuten direkt aufsuchen können – und wenn ja, welchen?

  •  Wissen Patienten, die unsicher sind, dass sie nach wie vor zunächst zum Arzt gehen können?

Bei vielen Wortmeldungen ging es um die Grundsatzfrage, wie Therapeuten damit umgehen sollten, wenn sie zeitnah durch die Blankoverordnung und perspektivisch durch den Direktzugang autonomer arbeiten können:

  •  Wird eine besondere Qualifizierung nötig sein?

  •  Was passiert bei den Physiotherapeuten mit den Zertifikatspositionen?

  •  Therapeuten müssen künftig besonderen Wert auf den Ein- und Ausgangsbefund legen, auch wenn beides mehr Zeit kostet.

  •  Sollte es für Therapeuten klare Leitfäden und Handlungsempfehlungen geben? Oder ist die Umsetzung von Blankoverordnung und Direktzugang allein "Praxissache"?

  •  Wird es ein starres Konzept oder ein flexibles System geben?

  •  Wird es versorgungsadäquatere Verordnungszahlen geben, wenn der Regressdruck bei den Ärzten entfällt?

  •  Wie kann das ‚neue Selbstverständnis‘ der Therapeuten zum Ausdruck kommen, zum Beispiel der Hands-off-Ansatz?

Und auch hier gab es grundsätzliche Wortbeiträge:

  •  Wann muss ein Patient erneut beim Arzt vorstellig werden?

  •  Könnten Behandlungsziele definiert werden?

  •  Heilmittelerbringer wollen gar keine ‚Ärzte‘ sein! Sie wollen nur in dem Rahmen, in dem sie fachlich sicher, weil entsprechend ausgebildet sind, autonom behandeln dürfen.

Themenblock Vergütungserhöhungen

Bis zum 30. Juni 2020 wird es je Heilmittelgruppe einen neuen Bundesrahmenvertrag geben. Neben den Themen Zulassung und Leistungsbeschreibung ist die Vergütung der therapeutischen Leistungen zentraler Bestandteil der anstehenden Verhandlungen zwischen den maßgeblichen Verbänden auf Seiten der Therapeuten und dem GKV-Spitzenverband für die gesetzliche Krankenversicherung.

Die Rückmeldungen zu den drei Fachrunden zum Thema Vergütung zeigten mehr als deutlich, dass zwar erste Erhöhungen in den Praxen ankommen, aber eine wirtschaftlich befriedigende Situation für Angestellte und Praxisinhaber noch längst nicht realisiert ist. Aus diesem Grund war auch das aktuelle Gutachten des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) ein zentraler Punkt in den Diskussionsrunden. Unter www.wat-gutachten.de sind alle Praxisinhaber bis Ende Oktober 2019 aufgerufen, an der bundesweiten Erhebung mitzuwirken und die wirtschaftliche Situation und die Aufwände für bislang nicht bepreiste Leistungen transparent zu machen.

Tatsache ist, dass viele Tätigkeiten in den Praxen aktuell noch nicht in die Vergütungen einfließen. Folgende Fragen der Teilnehmer unterstreichen auch den direkten Zusammenhang zwischen Vergütung und massivem bürokratischen Aufwand in den Praxen:

  •  Wird es bald eine Befundposition für die Physiotherapie geben?

  •  Wann werden Hausbesuche endlich entsprechend vergütet?

  •  Wann wird der Therapiebericht endlich angemessen bezahlt?

  •  Gibt es Chancen, dass der Einzug der Zuzahlung bald entfällt?

  •  Warum müssen Therapeuten für Fehler der Ärzte beim Ausstellen der Verordnungen geradestehen?

  •  Lässt sich das Zahlungsziel der Krankenkassen verkürzen?

Vergütung, bürokratischer Aufwand und sinnvolle Versorgung der Patienten gehen für die Teilnehmer des 2. TherapieGipfels Hand in Hand. Was geleistet wird, soll auch vergütet werden – da waren sich alle Diskutanten in den Fachrunden Vergütung einig. Gerade die Optimierung der Versorgung spielt für die Kolleginnen und Kollegen eine sehr wichtige Rolle. So kamen zahlreiche Anregungen und Fragen, die neue Ansätze in der Versorgung darstellen könnten – hier ein paar Beispiele:

  •  Wäre es denkbar, dass es bei schnellerem Behandlungsbeginn eine höhere Vergütung gibt?

  •  Wäre es in der Physiotherapie nicht sinnvoll, in flexibleren Zeiteinheiten wie beispielsweise 30, 45 oder 60 Minuten zu denken?

  •  Wann bekommen Therapeuten endlich Geld für eigenständige Forschung im therapeutischen Bereich?

Enorm wichtig ist es, dass möglichst viele Praxisinhaber an dem Wirtschaftlichkeitsgutachten in ambulanten Therapiepraxen (WAT) unter www.wat-gutachten.de bis Ende Oktober mitmachen. Je mehr selbstständige Therapeuten mitmachen, desto differenzierter und aussagekräftiger können die Berufsverbände ihre Verhandlungsposition untermauern.

Themenblock "Akademisierung" – hochschulische Ausbildung

Die Modernisierung der Ausbildung in den therapeutischen Berufen ist längst überfällig. Sie stellt die Basis der gesundheitlichen Versorgung dar. Die Berufsgesetze wurden teilweise seit mehr als 30 Jahren nicht mehr angepasst. Mit ihren Novellierungsvorschlägen haben die Verbände bereits umfangreiche Vorarbeiten geleistet. Entsprechende Entwürfe liegen dem Bundesministerium für Gesundheit zum Teil bereits vor. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe beauftragt, Fakten und Ideen zur Novellierung der Ausbildungen zusammenzutragen. Die therapeutischen Verbände haben dazu bereits vor Monaten einen umfangreichen Fragenkatalog der Bund-Länder-Arbeitsgruppe beantwortet und darin die Notwendigkeit einer grundständig hochschulischen Ausbildung für Therapeuten umfassend begründet. Sie ist notwendig, um bereits bestehende Engpässe in der Versorgung nachhaltig zu überwinden, die Qualität und Attraktivität der Ausbildungen deutlich zu erhöhen und die Patientenversorgung kontinuierlich zu verbessern. Eine Teilakademisierung stellt für die Verbände keine zufriedenstellende Option dar: sie spaltet den Beruf.

In den drei Gesprächsrunden wurde mehr als deutlich, dass die Aufklärung hinsichtlich der hochschulischen Ausbildung verbessert werden muss. Derzeit sind viele Berufsangehörige verunsichert. Dazu einige Stimmen:

  •  Werden Studierende/ehemalig Studierende mit ihren Sorgen und Nöten von den Berufsverbänden/den Hochschulen genügend „aufgefangen“?

  •  Es fehlt an Wertschätzung gegenüber Studierenden/Studierten, die sich oft auch ihren Kollegen und Kolleginnen gegenüber erklären müssen und keine entsprechende Vergütung erhalten.

  •  Auch die Wertschätzung von langjährig erfahrenen Berufsangehörigen muss bedacht werden. Welche Formen der Anerkennung ihrer beruflichen Kompetenzen wird es künftig geben? Lassen sich die Erfahrungen aus der Schweiz und aus Österreich auf unsere Situation übertragen?

  •  Es werden Fachleute gebraucht, die Prozesse mitgestalten können: Der Mehrwert eines Studiums im Gesundheitssystem wird nicht transparent (genug) gemacht. Das Potential wird noch nicht erkannt, nicht ausgeschöpft oder sogar verhindert.

Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmer weitere Themenblöcke im Zusammenhang mit der Veränderung der Ausbildung:

Ausbildungsinhalte:

  •  Wie können wir durch die Anpassung der Ausbildungsinhalte mehr Versorgungsqualität erreichen?

  •  Welche Kompetenzen braucht man für die Ausbildung?

  •  Wie werden Anrechnungsmöglichkeiten für Fortbildungen geschaffen?

  •  Welche Möglichkeiten der Nachqualifizierung bestehen? Wie wird der Bestandsschutz für die Berufsangehörigen gewährleistet, die nach den bisherigen Berufsgesetzen ausgebildet wurden?

  •  Zurzeit bestehen erhebliche Probleme in der europäischen Anerkennung der Berufe. Wie kann die Durchlässigkeit besser berücksichtigt werden? Wie kann sie gelingen?

Schule/Hochschule:

  • Die Konsequenzen des Nebeneinanders von Studium und Ausbildung (Teilakademisierung) werden nicht berücksichtigt. Es droht die Gefahr der Dequalifizierung und Spaltung innerhalb der Berufe.

  • Für einen Übergangszeitraum von zehn Jahren sollen fachschulische Ausbildung und hochschulische Ausbildung parallel laufen. Dafür brauchen Schulen neue Strukturen. Wie werden diese geschaffen und finanziert?

  • Welche Formen der Kooperation zwischen Fachschulen und Hochschulen existieren? Welche haben sich bereits bewährt, welche werden in der Übergangszeit noch benötigt?

  • Was geschieht mit den bisher an Fachschulen tätigen Lehrenden? Wie kann deren Potenzial in der hochschulischen Lehre genutzt werden?

  • Studieren ohne Abitur ist bereits möglich – es ist eine Frage der gelebten Durchlässigkeit, und es ist Aufgabe der Hochschulen, verstärkt darüber zu informieren. Bei einer rein hochschulischen Ausbildung besteht die "Gefahr", dass sich Schüler und Schülerinnen mit mittlerem Bildungsabschluss nicht mehr für die Ausbildung entscheiden können.

  •  Gleiches gilt umgekehrt für Abiturienten, die eine fachschulische Ausbildung aktuell nicht hinreichend attraktiv finden. Eine hochschulische Ausbildung mit entsprechenden beruflichen Aufstiegschancen wird die Attraktivität der Therapieberufe steigern.

Gehalt:

  •  Wie kann die Vergütung gerechter werden? Wo sind die Unterschiede, was schafft einen Anspruch auf höhere Vergütung? Hierbei sind Tätigkeitsmerkmale entscheidend, nicht der Grad der Ausbildung.

  •  Wie will man verhindern, dass zum Beispiel Krankenhäuser Masseure statt Physiotherapeuten einstellen, um Gehalt einzusparen?

Themenblock Digitalisierung

Die Digitalisierung, die Einbindung in die Telematikinfrastruktur (TI) und der Zugang zur elektronischen Patientenakte (ePA) sind Themen, die bisher eine eher untergeordnete Rolle in Therapeutenkreisen spielten. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sorgt für einen Weckruf. Was soll, kann, muss in der digitalen Struktur der Zukunft geschehen?

Zugang:

  •  Der Zugang zur TI mit Lese-/Schreibzugriff, beispielsweise auf die ePA, ist eine der Forderungen, die Therapeuten stellen. Bisher verfügt kein therapeutischer Beruf über einen elektronischen Heilberufeausweis, obwohl die gesetzliche Grundlage dafür schon im Jahr 2004 gelegt worden ist. Hier wurde in der Diskussion klar, dass den Ländern dringend die Relevanz des elektronischen Gesundheitsberuferegisters verdeutlicht werden muss.

  •  Die Ankündigung, dass Krankenkassen die Finanzierung der Hardware (Installation und Betriebskosten) übernehmen müssen, sorgte für Erleichterung.

Chancen und Risiken:

  •  Die Mehrzahl der anwesenden Therapeuten ist sich der Chancen und Risiken bewusst. Die Vereinfachung der Dokumentation, Kommunikation und Abrechnung und der damit verbundene Bürokratieabbau sind wichtige Ziele. Hier sehen die meisten Berufsangehörigen gute Chancen, in ihrem Arbeitsalltag von der Digitalisierung zu profitieren, wenn alle Beteiligten gut miteinander kommunizieren. Der Datenschutz ist dabei ein sehr hohes Gut.

  •  Gleichzeitig sind einige Therapeuten nicht von der Notwendigkeit der Digitalisierung überzeugt, bzw. haben Bedenken, die Bürokratie könnte sie überfordern. Hier sind die Verbände gefragt, tiefergehend zu informieren.

Umgang bzw. Kommunikation mit Patienten:

  •  Eine wichtige Rolle in der zukünftigen TI wird der Umgang mit dem Patienten sein, der alleine über die Handhabung seiner Daten entscheidet.

  •  Therapeuten wünschen sich zudem die Verankerung von Therapieplänen bzw. die Einbindung der Therapeuten bei der Frage der Verordnungsfähigkeit von Apps in den Therapieverlauf.

Alle Anregungen aus den Foren des 2. TherapieGipfels fließen in die weiteren Überlegungen und Vorbereitungen des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) ein und werden in den entsprechenden Arbeitsgruppen diskutiert werden. Und auch im Nachgang des TherapieGipfels freut sich der SHV immer über konstruktive Ideen und Hinweise.  Weitere Informationen gibt es zudem online unter www.shv-heilmittelverbaende.de.