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11.01.2005

Fachgespräch \"Barrierefreie Gesundheitsversorgung\"

Zwischen den gesetzlichen Reglungen und deren praktische Umsetzung klafft noch eine große Lücke.

Am 16. Dezember 2004 nahm die ZVK-Vorsitzende, Ulrike Steinecke – ehemals Ulrike Wolf - in Berlin auf Einladung der Patientenbeauftragten Helga Kühn-Mengel und des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack, an einem Fachgespräch \"Barrierefreie Gesundheitsversorgung\" teil. Anwesend waren vor allem Vertreter der verschiedenen Patienten-, Selbsthilfe- und Behindertenverbände. Für die Heilmittelerbringer war neben dem Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) auch der Verband Physikalische Therapie (VPT) und Deutsche Bundesverband für Logopädie (dbl) vertreten.

Im ersten Teil der Veranstaltung schilderten Betroffene (Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben und Selbsthilfe gehörloser Menschen) ihre Situation. Allgemein wurden die gesetzlichen Änderungen im SGB IX, das den größten Teil des Behindertenrechts enthält, gelobt. Lllerdings sieht die Wirklichkeit doch immer wieder anders aus, betonte die ZVK-Vorsitzende Ulrike Steinecke. In den Berichten wurde hervorgehoben, dass \"barrierefrei\" eben nicht nur im baulichen, sondern auch im kommunikativen> Sinne zu verstehen ist. Beispiel: Der Gehörlose hat ein Recht, sich in seiner Gebärdensprache beim Arzt bzw. anderen Leistungserbringern zu artikulieren. Es obliegt dem Arzt zu entscheiden, ob ein Dolmetscher benötigt wird oder nicht. Allerdings ist in der Regel bei Akutfällen nicht sofort ein Dolmetscher zur Hand, sodass es in einigen Fällen schon zu Missverständnissen mit dramatischen Auswirkungen gekommen ist. Die Antragsverfahren dauern oft so lang, dass wenn z.B. ein Gebärdendolmetscher von der Kasse bewilligt wurde, der Anlass, d.h. eine akute Erkrankung, sich entweder verschlimmert oder mittlerweile erledigt hat.

Häufig sind die \"Gesunden\" der irrigen Ansicht, der Gehörlose könne von den Lippen ablesen oder die schriftliche Kommunikation funktioniere problemlos, was aber so nicht ist, da die meisten Gehörlosen Analphabeten sind bzw. sich in Schreiben und Lesen auf dem Niveau eines Viertklässlers befinden. Den Abschluss der Berichte der Betroffenen bildete der Vortrag von Horst Frehe (Rollstuhlfahrer), Richter am Sozialgericht Bremen und im Arbeitsstab des Beauftragten für die Belange behinderter Menschen.

Auch wenn die offiziellen Vertreter von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit (Erika Behnsen), der Krankenkassen (AOK-Bundesverband Heike Wöllenstein) und der KV\'en (Dr. Franziska Diel, KBV) die positiven gesetzlichen Regelungen darstellten, so waren sie angesichts der Erlebnisberichte recht hilflos und blieben auf viele Fragen eine Antwort schuldig. Zwischen den gesetzlichen Reglungen und deren praktische Umsetzung klafft noch eine große Lücke, wie das Beispiel des Gebärdendolmetschers deutlich macht. Dazu kommt, dass die Bewilligungsverfahren dieser Leistungen von Kasse zu Kasse unterschiedlich sind. Notwendig ist eine unbürokratische Hilfe. Die offiziellen Vertreter versicherten, viel gelernt zu haben, weiter im Gespräch zu bleiben und auf die praxisnahe Umsetzung des SGB IX zu drängen.