09.05.2006
–
Bundesverband
Genehmigte Heilmittelverordnungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung des Arztes
Eine Entlastung oder nicht?
Die Ärzteschaft stellt sich mit Recht auf den Standpunkt: Wenn eine Krankenkasse genehmigungspflichtige längerfristige Verordnungen außerhalb des Regelfalls genehmigt, muss sie diese Entscheidung insgesamt gegen sich gelten lassen; sie darf insbesondere in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht behaupten, die von ihr genehmigte Behandlung sei medizinisch nicht vertretbar oder unwirtschaftlich gewesen.
Mit dieser Aussage befinden sich die Ärzte zumindest teilweise in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG. Das BSG hat so in seiner Entscheidung vom 17. Mai 2000 (B 3 KR 33/99 R) über die Wirkungen einer Kostenübernahmeerklärung für eine stationäre Behandlung entschieden; hiernach kehrt die Kostenübernahmeerklärung bei Streit über die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eines Versicherten die Beweislast zu Lasten der Krankenkasse dahin um, dass diese nachweisen muss, warum die betreffende Behandlung nachträglich medizinisch nicht mehr vertretbar oder unwirtschaftlich gewesen sein soll.
Überträgt man diese Wertung auf den Bereich der Heilmittel, so kann nichts anderes gelten. Zunächst einmal kann sich der verordnende Arzt auch in der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Entscheidung der Krankenkasse berufen. Diese Feststellung ist aber kein Anlass zur besonderen Freude. Denn Regresse bei Überschreitung des Heilmittelbudgets treffen den verordnenden Arzt unabhängig davon, welcher Anteil seiner Heilmittelverordnungen der Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt worden ist. Sowohl bei der Vereinbarung des Heilmittelbudgets auf KV-Ebene wie bei der Festlegung der Richtgrößen wird von der Ist-Ausgabensituation ausgegangen, die recht präzise auf die Patientenkontakte heruntergebrochen wird. In der Ausgangssituation zur Berechnung des (neuen) Heilmittelbudgets - zur Berechnung der (neuen) Heilmittel-Richtgrößen - sind alle Ausgaben des Vorjahres - also auch die Ausgaben, die auf genehmigungspflichtige Verordnungen entfielen - enthalten und schlagen sich daher auf den für die einzelnen Patientenkontakte heruntergebrochenen Wert anteilig nieder. Die KV erwartet also von „ihrem“ Mitgliedsarzt, dass er unabhängig von der Anzahl der genehmigungspflichtigen Heilmittelverordnungen die Richtgrößen nicht überschreitet.
Von großer Bedeutung ist auch ein anderer Aspekt. Der ganz überwiegende Teil der KVen vereinbart jährlich ein fixes Heilmittelbudget, d.h. eine Obergrenze für alle verordneten Heilmittelausgaben des jeweiligen Kalenderjahres. Wird das Heilmittelbudget überschritten, hat dies zumindest faktisch-atmosphärisch Auswirkungen auf die Vergütungsverhandlungen der KV im Folgejahr, selbst wenn bisher - anders als von den Kassen angedroht - keine Belastung des Honorartopfes der KV im Hinblick auf eine Überschreitung des Heilmittelbudgets möglich war. Die Drohkulisse, dass Überschreitungen des Heilmittelbudgets Gegenstand der Gesamtverträge werden, bleibt aber bestehen (Malus); die Hoffnung zumindest einiger Ärzte, dass Unterschreitungen des Heilmittelbudgets zu einer Auffütterung des Honorartopfes führen (Bonus), ist ebenso nicht ganz unbegründet.
Fazit: Die Genehmigung der längerfristigen Heilmittelverordnungen hat zwar praktische Bedeutung, weil vielfach Ansprüche der Patienten auf ordnungsgemäße Versorgung verkürzt werden. Praktische Auswirkungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind aber zu verneinen. Die Krankenkassen können daher nur ermuntert werden, flächendeckend die Genehmigungspflicht bei längerfristigen Heilmittelverordnungen auch weiterhin auszusetzen.
Heinz Christian Esser
Geschäftsführer des ZVK