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Ärzte sollten keine Angst haben, Aufgaben an andere Gesundheitsberufe abzugeben. Darin zeigten sich Vertreter aus Wissenschaft, Pflege, Physiotherapie und Klinikmanagement einig.

Professor Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, rückt an den Rand des Podiums. Seinen Platz in der Mitte räumt er für Marie-Luise Müller, Präsidentin des Deutschen Pflegerates. Dennoch bleibt der Vertreter der Ärzteschaft die zentrale Figur im "Gerangel um Kompetenzen", wie die Debatte über die Neugliederung der Gesundheitsberufe übertitelt ist.

"Sie brauchen keine Angst haben. Der Sachverständigenrat hat nicht vorgeschlagen, dass Pflegehilfskräfte Transplantationen vornehmen", witzelt Professor Eberhard Wille, Mitglied des Sachverständigenrates, an die Adresse der Ärzte. Er rechnet mit einer "Win-Win-Situation", wenn Ärzte bereit sind, Tätigkeiten abzugeben und die Pflege Verantwortung übernimmt. "So können Ärzte von nichtärztlichen Tätigkeiten befreit und die Pflege aufgewertet werden", sagt Wille.

"Vertrauen Sie darauf, dass es nicht darum geht, den Ärzten etwas wegzunehmen", sagt auch der Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK) Eckhardt Böhle. Die Physiotherapeuten freuen sich, dass ihnen mit dem Pflegereformgesetz Modellversuche zum Direktzugang zur Physiotherapie ohne ärztliche Verordnung ermöglicht wurden. Verärgert zeigen sie sich aber über den Ulmer Ärztetag, der die Substitution ärztlicher Leistungen durch andere Berufe grundsätzlich abgelehnt hat. "Das weckt den Eindruck, dass Ärzte die fachliche Kompetenz anderer Gesundheitsfachberufe grundsätzlich in Abrede stellen", so Böhle.

"Sehr bedauerlich" findet die Pflegeratspräsidentin die Ablehnung der Modellversuche durch den Ärztetag. Verärgert zeigt sie sich gar darüber, dass Hausärzte ihre Aufgaben nach Ärztetagsplänen nicht an Pflegekräfte, sondern an die Arzthelferinnen delegieren sollen. Doch Müller kündigt ausdrücklich an, dass sie nun auf den Dialog mit der Ärzteschaft setzt statt auf Polarisierung. Eines hält sie jedoch für wichtig: Pflegerische Diagnostik soll ärztliche Diagnostik ergänzen.

"Ich wünsche mir mehr Mut bei den Ärzten, solche neuen Wege zu gehen. Ihnen schwimmt nichts weg", so der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Rudolf Kösters. Er weist aber auch darauf hin, dass die Pflege sich lange gesträubt habe, Aufgaben von Ärzten zu übernehmen. Jetzt gehen seinen Angaben zufolge bereits viele Krankenhäuser diese neuen Wege. Die verfasste Ärzteschaft müsse sich aufschließen, sonst würde sie von der Realität in den Kliniken überholt. Kösters äußert zudem Zweifel, ob die Bundesärztekammer "im Sinne ihrer Ärzteschaft" sprechen würde.

"Keine Angst, aber Verantwortung" hätten die Ärzte, kontert der von allen Seiten unter Beschuss genommene Ärztefunktionär Fuchs. Eingangs beharrt er noch auf den Forderungen des Ärztetags: "Die ärztliche Verantwortung für das Versorgungsmanagement ist unteilbar." Ärzte seien jedoch zunehmend für Entlastung dankbar und insofern auch kooperationsbereit, signalisiert Fuchs im Verlauf der Debatte. Er warnt aber, dass eine neue Aufgabenverteilung die ärztliche Weiterbildung nicht gefährden dürfe. Pflege und Ärzte müssten "die jeweiligen Verantwortungsbereiche gemeinsam patientenzentriert festlegen".

Wiederholt verweist der BÄK-Hauptgeschäftsführer darauf, dass die Debatte um eine neue Aufgabenteilung zur Verbesserung der Versorgung auf die anhaltende Mittelknappheit im Gesundheitswesen zurückgeht. Er fordert die Vertreter der anderen Berufsgruppen deshalb auf, nicht nur in der Patientenversorgung, sondern auch in der Positionierung gegenüber der Politik zusammenzuarbeiten. "Wir werden nur dann entscheidend vorankommen, wenn wir eine ausreichende Finanzierung haben", so Fuchs. (ami)