Login Mitglieder
A- A A+ Startseite Patienten‌ & Interessierte Fachkreise
06.11.2019

Kongressbericht "PAIN IN EUROPE XI - Bringing the Future to the Present"

11th Congress of the European Federation of IASP® Chapters (EFIC®) in Valencia

Der alle zwei Jahre stattfindende Europäische Schmerzkongress fand dieses Jahr vom 4. bis 7. September 2019 in Spanien statt. Der Kongress bot eine interessante Plattform, um Wissen, Ideen und die neuesten Fortschritte auf dem Gebiet der Schmerztherapie auszutauschen. Dieses Jahr war die Wichtigkeit der Schmerzmanagement-Expertise von Physiotherapeut*innen in der Europäischen Schmerzorganisation deutlich zu spüren. Unsere Kollegin Brona Fullen wurde zur „President-elect of the European Pain Federation EFIC“ gewählt. Die irische Professorin für Physiotherapie (University College Dublin) ist eine Expertin auf dem Gebiet des Managements chronischer Schmerzen und wird 2020 ihre dreijährige Amtszeit als Präsidentin der EFIC® antreten.

Um Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Prävention chronischer Schmerzen zu lenken, richtete EFIC® in Zusammenarbeit mit der „European Region of the World Confederation of Physiotherapy (ER-WCPT)“ eine spezielle Kampagne ein mit dem Thema: “EFIC on the Move“ [1].

Zudem rückten ausgelegte Broschüren und entsprechend einleitende Präsentationsfolien bei verschiedenen Vorträgen diese Thematik in den Vordergrund, und es wurden mehrere Präsentationen zu dieser Thematik angeboten. Es würde den Rahmen dieses Kurzberichts sprengen, ausführlich auf die einzelnen Beiträge einzugehen.
Deswegen nur exemplarisch das wichtigste aus dem Vortrag „Exercise Impact and Measurement“: Dort präsentierte H.B. Vaegter (Dänemark) Studienergebnisse über bewegungsinduzierte Hypoalgesie und diskutierte die noch unklaren Wirkmechanismen. Zudem betonte er, dass Einstellungen und Erwartungen der Patienten wichtige Einflussfaktoren für bewegungsinduzierte Hypoalgesie darstellen.

Dieses Thema griff M. Meeus (Belgien) in ihrem Vortrag auf und verdeutlichte, dass viele Patienten Angst vor weiteren Gewebeschäden entwickeln, wenn eine Aktivität oder Übung schmerzhaft ist. Adäquate „pain neuroscience education“ könnte diese Situation ändern. Daher sei es notwendig, dass der Patient das Prinzip der zentralen Schmerzverarbeitung und deren Zusammenhang mit körperlicher Aktivität versteht. Er soll wissen, dass hier Bewegungstherapie als Instrument zur Anregung von Schmerzhemmungsmechanismen und Abbau der Dekonditionierung eingesetzt wird. Der Vortrag verdeutlichte uns, wie wir auch bei chronischen Schmerzpatienten während der Trainingsphase diese edukativen Elemente adäquat mit einbauen können.

Im dritten Vortrag postulierte H. Witting (Niederlande), dass viele verschiedene Trainingsprogramme für chronische Schmerzen entwickelt wurden (Angst-Vermeidungsorientierte Programme, lokale Stabilisationsübungen, etc.), aber die Begründung für die Auswahl dieser oder jener Intervention nicht immer klar werde. Zudem betonte sie, dass es wichtig wäre, bei unserer Entscheidungsfindung zur Wahl der Intervention die Bedürfnisse des Patienten mit einfließen zu lassen.

Erfreulicherweise wurde auch in dem Ausstellerbereich das Thema Bewegung aufgegriffen. An einem Stand bekamen die Kongressteilnehmenden durch fleißiges Radeln die Möglichkeit, ihre Smoothies mit eigener Energie herzustellen [2].


Ein weiteres wichtiges Thema, nämlich „Pain in the Most Vulnerable”, wurde in mehreren Sessions angegangen. Auch hier exemplarisch eine Kurzübersicht aus einer dieser Sessions, nämlich: „Beyond Words: Exploring Facial, Vocal, and Bodily Communication of Pain acoss the Lifespan“. E. Keogh (Großbritannien) berichtete dort über unterschiedliche Variationen von Schmerzexpressionen; anscheinend können geschlechtsspezifische Faktoren die Beobachtung von Schmerz beeinflussen.
Danach verdeutlichte C.M. McMurtry (Canada) an Hand von Literaturergebnissen, wie stark verbale Interaktionen zwischen Eltern und Kindern die Schmerzreaktionen des Kindes beeinflussen. Allerdings zeigte sie auch auf, dass wir noch zu wenig über den Einfluss der nonverbalen Interaktion in diesem Kontext wissen. Die dritte Referentin, M. Kunz (Augsburg), thematisierte die nonverbale Kommunikation von Schmerz bei älteren Menschen, speziell bei Menschen mit Demenz. Sie berichtete über die Möglichkeit aber auch die Problematik, automatisierte Videosysteme zur Schmerzerkennung bei Patienten mit Demenz anzuwenden.

Zusammen mit S. Lautenbacher (Bamberg) referierte sie auch in einem späteren Workshop „Tackling Pain in vulnerable old Individuals suffering from Dementia“. S. Lautenbacher stellte dort die Arbeit der internationalen COST TD 1005 Gruppe zur Entwicklung des Meta-Tools PAIC-15 vor: ein sinnvolles Werkzeug zur Beobachtung von Schmerzen bei dieser vulnerablen Patientengruppe [3,4]. In ihrer Präsentation betonte M. Kunz die Wichtigkeit von Schulungsprogrammen, damit solche Instrumente in den Versorgungsinstitutionen dann auch zur Anwendung kommen.

So ein Kongress bietet zwischen den Vorträgen auch viele Gelegenheiten zum „Networking“ innerhalb und außerhalb der Kongresshalle.

So fanden unter anderem interessante Diskussionen auch bei den täglich neu angebotenen Poster-Begehungen statt. Auch einige Teilnehmende unserer Projektgruppe „Validierung der Central Sensitization Inventory_Deutsche Version“ begegneten sich dort und fühlten sich in der Wichtigkeit dieser Thematik bestätigt, zumal zum Thema „Central Sensitization“ mehrere Beiträge vorhanden waren. Erfreulicherweise fand auch unser dort präsentiertes e-Poster mehrere Male Beachtung [5].
So war der EFIC® Kongress dieses Jahr sehr interessant und lehrreich, besonders für die Schmerzphysiotherapie. Wir freuen uns jetzt schon auf dem EFIC® Kongress 2021 in Dublin.

Marjan Laekeman, Physiotherapeutin, Gegradueerde in de Kinesitherapie, M. Sc. Phys., B.Sc.Phys.
Referentin für „Spezielle Schmerzphysiotherapie“ der Deutschen Schmerzakademie (Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.). Promovendin Ph.D. Programm, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten-Herdecke und wiss. Mitarbeiterin, Physiologische Psychologie, Universität Bamberg. marjan.laekeman@t-online.de

Literatur:

[1[ European Pain Federation “EFIC® “On the Move” [Internet] Verfügbar unter: efic-congress.org/2018/11/30/efic-on-the-move-in-valencia-at-efic2019/ [07.09.2019]


[2] Bicilicuadora® [Internet] Verfügbar unter: bicilicuadora.com [07.09.2019]


[3] Kunz M, de Waal MW, Achterberg WP, Gimenez-Llort L, Lobbezoo F, Sampson EL, van Dalen-Kok AH, Defrin R, Invitto S, Konstantinovic L, Oosterman J, Petrini L,  van der Steen JT, Strand LI, de Tommaso M, Zwakhalen S, Husebo BS, Lautenbacher S. The Pain Assessment in Impaired Cognition scale (PAIC15): a multidisciplinary
and international approach to develop and test a meta-tool for pain assessment in impaired cognition, especially dementia. Eur J Pain. 2019 Sep 5.

[4] Die PAIC 15 Skala. Schmerzerfassung bei Demenz. [Internet] Verfügbar unter: paic15.com [07.09.2019]


[5] Laekeman M, Steffen E, Kuss K; Petzke F, Dieterich A; Neblett R, Schäfer A (2019) Expert and Patient perspectives on the cross-cultural translation and adaptation of the Central Sensitization Inventory into German. ePoster EFIC Congress Valencia, September