14.02.2005
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Bundesverband
Krankenkassen lassen Schmerzpatienten im Stich
Schmerztherapeuten protestieren gegen die neuen Leistungsverzeichnisse für Kassenpatienten.
In einer Resolution fordern Schmerztherapeuten die Nachbesserungen der am 25. Januar beschlossenen Leistungsverzeichnisse für Kassenpatienten, um diese den aktuellen wissenschaftlichen Standards und dem Versorgungsbedarf anzupassen. \"Geschieht dies nicht, wird gesetzlich versicherten Schmerzpatienten, von denen heute schon nur 20 Prozent ausreichend versorgt sind, ab April keine qualifizierte Schmerztherapie mehr zur Verfügung stehen, da unter den neuen Vorzeichen keine adäquate Versorgung mehr möglich ist\", erklärt Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie.
Niemand käme in Deutschland auf die Idee, die Behandlungsdauer eines chronisch schwerkranken Patienten, der an Diabetes, Herzschwäche oder rheumatoider Arthritis leidet, bei einem Facharzt auf zwei Jahre zu begrenzen. Ebenso wenig ist vorstellbar, dass der Facharzt bei einem chronisch kranken Menschen binnen sechs Monaten eine Besserung des Leidens erzielen muss oder - sollte dies nicht der Fall sein - einen Psychiater oder Psychotherapeuten hinzuziehen soll. Möglich sind solche Maßnahmen hingegen bei Schmerzpatienten.
Nach jahrelangem Tauziehen hat die so genannte Selbstverwaltung - die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung - am 25. Januar die neuen schmerztherapeutischen Leistungsverzeichnisse für Kassenpatienten verabschiedet. Der neue \"Einheitliche Bewertungsmaßstab\" (EBM), der regelt, auf welche ärztlichen Leistungen Kassenpatienten Anspruch haben, liegt auf dem Tisch.
Bei Schmerztherapeuten löst dieser Empörung aus. \"Eine ursprünglich vernünftige Idee, die Integration schmerztherapeutischer Leistungen in den EBM, wurde durch ihre Umsetzung geradezu ins Gegenteil verkehrt\", erklärt Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.
Missachtung aller Qualitätsstandards
Die Abbildung der Schmerztherapie im neuen EBM missachtet nach Meinung der Experten alle wissenschaftlichen Qualitätsstandards und den Versorgungsbedarf von Millionen Patientinnen und Patienten, die unter schwersten Dauerschmerzen leiden. So wurden eine Vielzahl von Leistungen, die nach dem Stande der Wissenschaft Bestandteil einer qualifizierten Behandlung sind, nicht in den EBM aufgenommen. Der Grund: Die Kassen waren nicht bereit, diese notwendigen Therapien zu bezahlen. Gleichzeitig wird die Behandlungsdauer von Schmerzpatienten bei den Spezialisten auf zwei Jahre begrenzt - ohne dass klar ist, wer sich danach um die Versorgung dieser schwerkranken Menschen kümmert. Schließlich haben diese im Schnitt eine zehnjährige \"Patientenkarriere\" mit häufig wechselnden Arztkonsultationen hinter sich, ohne dass ihnen geholfen wurde.
Darüber hinaus wurden zahlreiche Leistungen zu Komplexen gebündelt und sollen pauschal honoriert werden, wobei die Vergütung gleichzeitig um 30 bis 50 Prozent reduziert wurde. \"Diese Vergütung deckt noch nicht einmal die Materialkosten für die aufwändige Qualitätssicherung und Dokumentation, die wir betreiben, und die nicht minder aufwändige personelle und technische Ausstattung der schmerztherapeutisch spezialisierten Praxen, ganz zu schweigen von der eigentlichen Betreuung der Patienten und den aufwändigen Gesprächen\", erklärt Müller-Schwefe.
Gleichzeitig wird in der ebenfalls vorliegenden Qualitätssicherungsvereinbarung, die ab April die bisher gültigen Schmerztherapie-Vereinbarungen zwischen den Schmerztherapeuten und einigen Krankenkassen ersetzen - einige Kassen haben diese Form der Versorgung bis heute ihren Versicherten vorenthalten - die Zahl der zu behandelnden Patienten pro Quartal auf maximal 300
festgeschrieben. \"Dies ist absolut korrekt\", erklärt Müller-Schwefe, \"da eine qualifizierte Schmerztherapie bei größeren Patientenzahlen nicht möglich ist.\"
Voraussetzung ist allerdings eine exakte Beschreibung der notwendigen Leistungen und die Bereitschaft der Kassen, diese auch so zu vergüten, dass Ärzte von dieser Tätigkeit leben können und Schmerztherapie nicht zu einem \"Feierabend-Hobby\" verkommt.
Es droht der Rückzug der Spezialisten aus der Schmerztherapie
\"Die neuen Regelungen werden dazu führen, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte aus der Versorgung von Schmerzpatienten zurück ziehen\", erklärt Müller-Schwefe. Die Fortschritte, die in den letzten Jahren in der Versorgung durchaus erzielt wurden, würden so zurückgedreht. Da Schmerztherapie in der Medizinerausbildung nach wie vor kaum gelehrt wird, hat dies nach Meinung der Spezialisten gravierende Folgen für die betroffenen Patientinnen und Patienten, von denen schon heute nur 20 Prozent sachgerecht versorgt sind.
Schmerzpatienten und Schmerztherapeuten planen einen bundesweiten Aktionstag am 28. Februar.
Quelle: Dt. Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.