05.12.2005
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Bundesverband
Operation Bandscheibe: Viele Meinungen zur richtigen Therapie
Erfolg hängt von der Diagnose ab
„Jährlich werden rund 800.000 neue Bandscheibenvorfälle in Deutschland diagnostiziert“, sagt Privatdozent Michael Mayer in München, Präsident der European Spine Society. Ein echter Bandscheibenvorfall lasse sich eindeutig nachweisen - beispielsweise mit dem klinischen Befund, Kernspin- Untersuchungen, Computertomographie und Röntgen-Bildern.
Von einem Bandscheibenvorfall spricht man, wenn der gallertartige Kern der Bandscheibe aus einer porösen oder verletzten Bandscheibe austritt und auf die Nervenwurzeln im Kanal der Wirbelsäule drückt. Das kann zu starken Schmerzen, aber auch zu Lähmungen in den Beinen oder von Darm und Blase führen. Bei solchen starken Ausfällen muss der Bandscheibenvorfall so schnell wie möglich operativ entfernt werden, sind sich die Experten einig.
Auch wenn konservative Methoden wie Schmerz- und Bewegungstherapie nach einigen Wochen nicht ansprechen, raten manche Experten zur Operation. Bei der konservativen Therapie werden zum Beispiel Spritzen mit Betäubungsmitteln, pflanzlichen Wirkstoffen oder Kortison gegeben. Auch Krankengymnastik oder Elektrotherapie, bei der die Patienten in einem Bad mit leichten Stromstößen behandelt werden, können die Schmerzen lindern.
\"Eine Operation dient zur Verkürzung des Krankheitsverlaufs\", sagt Prof. Fritz-Uwe Niethard, Klinikdirektor der orthopädischen Klinik am Uniklinikum Aachen. Studien zufolge seien die Ergebnisse von operierten und konservativen Bandscheibenvorfällen nach fünf Jahren zwar die gleichen. \"Allerdings müssen die konservativ behandelten Patienten längere Zeit Schmerzen aushalten.\"
Bei einer Bandscheiben-OP können die Ärzte mikrochirurgisch oder minimalinvasiv vorgehen. Beim mikrochirurgischen Eingriff wird der Bandscheibenvorfall durch den Wirbelkanal hindurch entfernt, beim minimalinvasiven Eingriff wird mit einem Endoskop gearbeitet. \"Das hängt von Ort und Größe des Bandscheibenvorfalls ab\", erklärt Mayer. Der Schnitt beim endoskopischen Verfahren sei zwar kleiner, allerdings sei die Gefahr, dass der Eingriff wiederholt werden muss, drei bis acht Mal so hoch wie beim mikrochirurgischen Verfahren. \"Der endoskopische Eingriff ist außerdem technisch limitiert. Es kommt vor, dass der Bandscheibenvorfall nicht vollständig entfernt wird\", sagt Mayer.
Bei der richtigen Indikation liege die Erfolgsquote von Bandscheiben- Operationen bei 80 bis 90 Prozent, sagt Prof. Claus Carstens in Heidelberg, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Wirbelsäulenforschung. Das Risiko einer Querschnittslähmung nach einer Operation an der empfindlichen Wirbelsäule schätzt er gering ein. \"Ich habe noch nie erlebt, dass jemand danach im Rollstuhl saß.\" Allerdings könnten durch den Bandscheibenvorfall beschädigte Nervenwurzeln zu Gefühlsstörungen und leichteren Lähmungen zum Beispiel in den Beinen führen.
Nicht alle Probleme mit der Bandscheibe sind auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen. Der Orthopäde Reinhard Schneiderhan von der Wirbelsäulenliga in München rät zu interdisziplinären Diagnosen von Neurologen, Orthopäden und Radiologen: \"Es gibt bei demselben Krankheitsbild viele Meinungen.\"/ dpa/GesundheitPro