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10.08.2020

Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband: was genau hinter den Forderungen steckt!

Die Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen (WAT-Gutachten) hat es vorgegeben: PHYSIO-DEUTSCHLAND und die drei weiteren physiotherapeutischen Verbände fordern vom GKV-Spitzenverband eine Vergütungserhöhung von 50,13 Prozent. In der ersten Verhandlungsrunde am 05. August haben die Verbände diese Forderung gestellt und mit den Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsanalyse für ambulante Therapiepraxen (WAT-Gutachten) begründet. Am 27. August findet die zweite Runde der Vergütungsverhandlungen mit den Verhandlungspartnern statt. Warum wir 50,13 Prozent - vor allem auch aus fachlicher Sicht - fordern, lesen Sie in dieser Meldung.

"Wir fordern eine Weiterentwicklung der physiotherapeutischen Vergütung und der Leistungsbeschreibung", erklärt Andrea Rädlein, Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

Therapeutischer Prozess – heute

Heute bleiben dem Physiotherapeuten 15 bis 25 Minuten für eine Behandlungseinheit bzw. alles, was damit verbunden ist. Nur diese Zeit wird von den Kostenträgern vergütet. In diesem Zeitfenster sollen sowohl Vor- und Nachbereitung und die Behandlung stattfinden. Die Praxis zeigt inzwischen deutlich, dass dieses Zeitfenster deutlich zu knapp bemessen ist und sowohl zu Lasten der Therapeuten als auch zu Lasten des Patienten geht. Beides ist nicht länger hinnehmbar und muss im Rahmen der aktuellen Verhandlungen angepasst werden.

Befragung zu Vor- und Nachbereitungszeiten

Im Rahmen der aktuellen Verhandlungen zum Bundesrahmenvertrag mit dem GKV-Spitzenverband soll sich deshalb an der Gesamtsituation etwas ändern. Voraussetzung dafür sind gute Argumente.Deshalb haben PHYSIO-DEUTSCHLAND und die drei weiteren physiotherapeutischen Verbände eine Stichprobenerhebung zu den Vor- und Nachbereitungszeiten im Zusammenhang mit den physiotherapeutischen Leistungspositionen vorgenommen.

Das Ergebnis: Gemittelt auf alle Leistungspositionen liegt die Vor- und Nachbereitungszeit bei durchschnittlich 666 Sekunden. Das entspricht knapp über 11 Minuten pro Behandlung. Darin sind rund eine Minute für die Verlaufsdokumentation enthalten.

In die Auswertung eingeflossen sind insgesamt 3.911 Rückmeldebögen. Die meisten für die Position "KG" (1.076), danach "MT" (566) und "MLD“ (547). Die Zeiterfassungsbögen waren angepasst an die Erfordernisse der jeweiligen Position, um die unterschiedlichen Aufwände messbar und transparent zu machen.

Die 11 Minuten beinhalten folgende nicht-therapeutische Tätigkeiten bei allen Positionen:

  • Patientenkarte/-akte nehmen bzw. heraussuchen

  • Vorbereitung Behandlungsbank (Laken auflegen, Lagerungsmaterial heraussuchen, Handtücher…)

  • Ggf. Abholung des Patienten

  • Ggf. Begleitung des Patienten in den Behandlungsraum

  • Beim ersten Mal: Begrüßung und Vorstellung

  • Händewaschen / Händedesinfektion

  • Ggf. Hilfeleistung beim Ausziehen der Schuhe/beim Auskleiden

  • Ggf. Hilfe beim Ablegen von Verbandmaterial, Prothesen, Orthesen etc.

  • Patientenbefragung zum tagesaktuellen Befinden

  • Ggf. ärztliche Zwischenbefunde, OP-Berichte etc. sichten

  • Ggf. Hilfe beim Anlegen von Verbandmaterial, Prothesen, Orthesen

  • Ggf. Hilfeleistung beim Ankleiden

  • Erläuterung weiteres Vorgehen / Verabschiedung

  • Ggf. Begleitung in den Wartebereich

  • Reinigungs-/Hygienemaßnahmen (Behandlungsraum/-kabine, Behandlungsliege, Therapiegeräte, Stoßlüften des Therapieraums, Laken u. Handtücher)

  • Händewaschen / Händedesinfektion

  • Verlaufsdokumentation

  • Ggf. Kontakt mit verordnendem Arzt (Komplikationen, Kontraindikationen etc.)

Bei einigen Positionen kommen weitere Aspekte wie zum Beispiel bei der Position "KGG" die Vorbereitung der Trainingsgeräte oder bei der Position "KG ZNS Erwachsene" die Vorbereitung weiter therapieunterstützender Hilfsmittel wie zum Beispiel eine zweite Therapieliege oder Gehbarren.
"Mit dieser Analyse liegen uns erstmals konkrete Zahlen zum Arbeitsaufwand vor. Diese müssen sich in der Leistungsbeschreibung der entsprechenden Positionen widerspiegeln, aber eben auch in der Vergütung dieser Positionen“, betont Andrea Rädlein die inhaltlichen Forderungen an die Kostenträger.

Therapeutischer Prozess – was PHYSIO-DEUTSCHLAND fordert

"Wir fordern mehr Zeit für die eigentliche Behandlung mit dem Patienten und wir fordern zusätzlich eine Vergütung für wichtige Elemente der physiotherapeutischen Behandlung wie zum Beispiel die physiotherapeutische Diagnostik oder auch die Erstellung von Therapieberichten für den behandelnden Arzt", erklärt Andrea Rädlein, Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

Was genau gehört denn alles zu einer physiotherapeutischen Behandlung? Dazu zählen neben einer physiotherapeutischer Diagnostik (die eine ausführliche Anamese, einen auf den Patienten angepassten Therapieplan, ein mit dem Patienten vereinbartes Therapieziel enthält) auch die Verlaufsdokumentation, die Kommunikation mit den behandelnden Ärzten, der Einzug der Zuzahlung und nicht zu Letzt - zum Ärger aller Physiotherapeuten - auch die Prüfung von Verordnungen beziehungsweise deren Korrektur.

"Physiotherapie muss mehr wert sein! Wir fordern 50,13 Prozent mehr Vergütung von den Kostenträgern, weil wir den Patienten nicht im 15-Minuten-Fließbandtakt behandeln und für unsere Arbeit angemessen vergütet werden wollen“, so die Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

PHYSIO-DEUTSCHLAND wird die Verhandlungen neben den Argumenten aus der Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen (WAT-Gutachten) und der Stichprobenanalyse der Vor- und Nachbereitungszeit auch mit Pressemitteilungen zum Wert der Physiotherapie für die Gesellschaft begleiten. Schon im Jahr 2014 haben wir unter dem Motto "Physiotherapie ist mehr wert." auf Missstände bei der Vergütung öffentlich aufmerksam gemacht und knapp 180.000 Unterstützerstimmen gesammelt. In diesen Verhandlungen verknüpfen wir den Mehrwert der Physiotherapie mit Qualität und diese darf ihren Preis haben!