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21.05.2025 – Regionalverband Baden-Württemberg

„Was uns guttut, hilft auch dem Planeten“ – Ein Gespräch mit Michael Streicher über Gesundheit, Klima und gesellschaftliche Verantwortung

Immer mehr Menschen aus dem Gesundheitswesen engagieren sich für Klima- und Umweltschutz. Auch die beiden Physiotherapeut*innen Josefin Rieckmann und Michael Streicher haben ein Projekt ins Leben gerufen, das nicht nur aufklären, sondern auch verbinden will. Im Interview spricht Michael Streicher, über Beweggründe, Ziele und Herausforderungen – und darüber, warum gerade Gesundheitsberufe eine besondere Verantwortung tragen.

Wie ist die Idee zu Ihrem Projekt „Erzähl uns Deine Geschichte“ entstanden, Herr Streicher?

Die Idee hat mehrere Wurzeln. Frau Rieckmann und ich saßen vor einigen Wochen beim Frühstück zusammen und waren uns einig: Menschen aus dem medizinischen Bereich sollten sich viel stärker in Klima- und Umweltthemen einbringen. Wir gehören zu den wenigen Berufsgruppen, die in der Gesellschaft noch ein hohes Vertrauen genießen. Unsere Aufgabe ist es, für die Gesundheit von Menschen zu sorgen – und dazu gehören heute auch die Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörung. Gleichzeitig wollten wir nicht länger tatenlos zusehen, wie sich unsere Gesellschaft zunehmend spaltet. Wir möchten ein Zeichen gegen das Gefühl der Ohnmacht setzen und Menschen motivieren, aktiv zu werden.

Welche Rolle spielt dabei die Physiotherapie?

Eine zentrale. Wir sehen uns schon heute in einer Schlüsselrolle, wenn es um die Verbindung von Gesundheit, Klima und Umwelt geht. Das betrifft nicht nur die Aufklärung von Patient*innen. Unsere Aufgabe ist es, Menschen in Bewegung zu bringen – und damit meine ich nicht nur den Weg vom Auto zum Bäcker. Gesundheit hängt von vielen Faktoren ab, darunter Bewegung und Ernährung. Wenn wir uns mehr bewegen und regional sowie saisonal essen, tun wir nicht nur uns selbst etwas Gutes, sondern auch dem Klima. Das ist doch bemerkenswert: Vieles, was unsere Gesundheit stärkt, trägt gleichzeitig zum Erhalt unseres Planeten bei. Das sollte selbst den größten Skeptiker zum Nachdenken bringen.

Was möchten Sie mit dem Projekt konkret erreichen?

Zum einen wollen wir Menschen eine Stimme geben. Viele fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen. Wir möchten zeigen: Du bist nicht allein. Gleichzeitig ist es uns wichtig, deutlich zu machen, dass Enttäuschung über politische Entwicklungen nicht in die Arme von Parteien wie der AfD treiben darf. Unser Projekt lädt Menschen ein, ihre Ängste und Erfahrungen mit uns zu teilen – ohne erhobenen Zeigefinger. Wir wissen, dass nicht jede Veränderung für alle sofort umsetzbar ist. Deshalb wollen wir verstehen, was Menschen bewegt und wo sie Unterstützung brauchen. Nur so können wir gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln und neue Motivation schaffen, den nachhaltigen Weg mitzugehen.

Wie wird das Projekt bisher aufgenommen?

Die Resonanz ist überwiegend positiv. Wir erhalten viel Zuspruch und Anerkennung. Gleichzeitig erleben wir auch Irritationen – etwa bei der Suche nach prominenten Unterstützer*innen. Manche sagen öffentlich, dass wir nur gemeinsam etwas verändern können, lehnen aber eine konkrete Unterstützung ab. Das sind besondere Momente, weil sie zeigen, dass „gemeinsam“ nicht immer dasselbe bedeutet. Für uns heißt es: auf Augenhöhe, solidarisch und inklusiv.

Wie soll es weitergehen?

Wir wünschen uns, dass das Projekt wächst – in der Reichweite und in der Vielfalt der Stimmen. Wir möchten mit Menschen sprechen, die bereits unter den Folgen des Klimawandels leiden, mit Geflüchteten, die ihre Heimat verlassen mussten, und mit Aktivist*innen, die an ihre Grenzen gehen. Diese Geschichten sollen in sozialen Medien und in einer Dokumentation sichtbar gemacht werden. Unser Ziel ist es, gesundheitliche Aspekte mit Umweltveränderungen zu verknüpfen – und dabei Menschlichkeit und Verständnis zu fördern.

Zum Schluss: Gibt es ein Bild, das Ihre Vision zusammenfasst?

Vielleicht dieses: Ein Mensch, der sich bisher fremdenfeindlich äußerte, hört die Geschichte eines Klimaflüchtlings – und bekommt Tränen in den Augen. Es geht uns um genau diesen Moment: Wenn Mitgefühl entsteht, wo vorher Ablehnung war. Wenn Menschlichkeit wieder Raum bekommt.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für das Projekt, lieber Herr Streicher!

Hinweis: Wir haben im Vorfeld schon über das Projekt „Erzähl uns Deine Geschichte“ berichtet. Hier geht es direkt zur Meldung.