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05.01.2018

Barmer veröffentlicht Heil- und Hilfsmittelreport 2017

Und jährlich grüßt das Murmeltier: Am 04. Januar 2018 hat die Barmer den Heil- und Hilfsmittelreport 2017 veröffentlicht. Auf 162 Seiten geht es darin um die Versorgung der Barmer-Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln im Jahr 2016. Einmal mehr stellt die Ersatzkasse den Heil- und Hilfsmittelbereich schwerpunktmäßig als Kostentreiber dar. Betont werden die stark steigenden Ausgaben und die regionalen Unterschiede bei den Kosten.

Diese Erkenntnisse sind weder neu, noch helfen sie dabei die Versorgung der Versicherten weiter zu optimieren. Schade eigentlich! Denn: In den zurückliegenden Jahren hat der Report, der ursprünglich von der GEK ins Leben gerufen wurde und nach der Fusion mit der Barmer fortgeführt wird,  Fehl- und Unterversorgungen gerade im Heilmittelbereich offen gelegt. Er hat Potenziale zur Versorgungsoptimierung beispielsweise von Patienten nach einem Schlaganfall, mit COPD oder mit Rückenschmerzen geliefert. Wertvolle Versorgungsforschung, die Lücken oder Fehlanreize aufgezeigt hat. Fazit war dabei stets: Entweder haben Betroffene zu spät, zu wenig oder nicht die effektivsten Heilmittel passend zur Diagnose erhalten.

Die Fakten im Überblick

Laut Heil- und Hilfsmittelreport 2017 sind die Ausgaben der Barmer für Heilmittel im Jahr 2016 um drei Prozent beziehungsweise 26 Millionen Euro gestiegen. Bei den Hilfsmitteln verzeichnet die Krankenkasse ein Plus von neun Prozent und Mehrausgaben von 84 Millionen.

Zum Vergleich: Aktuelle Steigerungsraten in Bereichen wie zum Beispiel der ärztlichen Behandlung (plus 5,1 Prozent) und den Ausgabensteigerungen für Krankengeld (plus 5 Prozent) ergeben allein in den ersten drei Quartalen für 2017 ganz andere Eurobeträge. So entsprechen 5,1 Prozent Steigerung bei den ärztlichen Leistungen mehr als 1,5 Milliarden Euro und die Steigerung beim Krankengeld im Betrachtungszeitraum entspricht 436 Millionen Euro.

Dem gegenüber stehen ein weiter steigender Finanzüberschuss bei den gesetzlichen Krankenversicherungen und eine Rekordzahl von 77,2 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland, 55,5 Millionen davon zahlen Beiträge. Bis Ende September 2017 sind die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen stärker gestiegen (plus 4,2 Prozent) als die Ausgaben (plus 3,7 Prozent). Damit hat die Gesetzliche Krankenversicherung in den ersten drei Quartalen des Jahres 2017 bereits einen Überschuss von 2,52 Milliarden Euro erzielt. Insgesamt verfügen die Krankenkassen über Finanzreserven von 18,6 Milliarden Euro.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bescheinigt den Krankenkassen gute Spielräume für hochwertige Leistungen bei attraktiven Beiträgen. "Es liegt nun in der Hand der einzelnen Krankenkassen, diese Spielräume im Sinne ihrer Versicherten auszuschöpfen", betont Hermann Gröhe.

Sind Heilmittel angesichts dieser Ausgangslage tatsächlich in erster Linie ein Kostentreiber? "Aus unserer Sicht ganz sicher nicht! Ein Blick in den Geschäftsbericht 2016 der Barmer bestätigt dies: Die Leistungsausgaben sind im Geschäftsjahr 2016 insgesamt um 4,91 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Zusammen mit den Ausgaben für zahnärztliche Behandlung (plus 1,19 Prozent) und Krankengeld (plus 2,91 Prozent) bilden die Ausgaben für Heilmittel damit das Schlusslicht.

Die Fokussierung auf die Ausgabenentwicklung im Heilmittelbereich ist weder beitragssatzrelevant für eine Krankenkasse, noch spiegelt sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Physiotherapie im Deutschen Gesundheitssystem wider", erklärt Andrea Rädlein, Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND. Denn: Die Gesamtausgaben für Heilmittel liegen mit rund 5,3 Milliarden Euro bei drei Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nur für Vorsorge- und Reha-Maßnahmen sowie für Fahrkosten und Zahnersatz geben die Krankenkassen noch weniger Geld pro Jahr aus als für Heilmittel.

Regionale Unterschiede haben Gründe

Zurecht weißt die BARMER im aktuellen Report erneut auf starke regionale Unterschiede bei den Ausgaben für Heilmittel hin. So liegt die Spannbreite im Jahr 2016 je nach Bundesland pro Versicherten bei 50 Euro in Bremen und reicht bis zu 82 Euro in Berlin. Medizinisch sind diese Unterschiede eher nicht erklärbar. In der Presseerklärung zum Heil- und Hilfsmittelreport betont Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER, dass allein die medizinische Notwendigkeit und nicht die regionalen Besonderheiten die Verordnung von Heilmitteln wie Physiotherapie bestimmen dürfen. "Dem stimmen wir vollumfänglich zu", unterstreicht Andrea Rädlein.

"Ein wesentlicher Grund für diese Ausgabenunterschiede sind die unterschiedlichen Richtgrößen für Heilmitteln in den Bundesländern", erklärt Thorsten Vogtländer, Geschäftsführer von PHYSIO-DEUTSCHLAND. Tatsache ist, dass niedergelassene Ärzte in Bremen durch niedrigere Richtgrößen gezwungen werden, weniger Physiotherapie zu verordnen, als beispielsweise Ärzte in Berlin. Die Folge dieser ungleichen Rahmenbedingungen können Unter- und Fehlversorgung sein. Anzeichen dafür haben bereits die Heil- und Hilfsmittelreporte der vergangenen Jahre offen gelegt.

Die Politik hat erkannt, dass Richtgrößen zu Unterversorgung führen und deshalb zahlreiche Krankheitsbilder mit langfristigem Heilmittelbedarf und die besonderen Verordnungsbedarfe von den Fesseln der Wirtschaftlichkeitsprüfung befreit. "Das ist ein guter und wichtiger Schritt für alle Patienten. Dieser Weg muss aus unserer Sicht konsequent weiterentwickelt werden", fordert Andrea Rädlein. 

Versorgung weiter optimieren – Investition in Heilmittel kommt Patienten zugute

Im Journal of Health Monitoring berichtet das Robert Koch-Institut in der Ausgabe 2017 2(4) über die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Leistungen in Deutschland. Darin bestätigt das Institut, dass Physiotherapie ein wichtiger Teil der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland ist.

Der Bericht zeigt auch auf, wie viel Prozent der Versicherten Physiotherapie in Anspruch nimmt, und dass im Altersverlauf die Inanspruchnahme deutlich zunimmt. Dabei überwiegen die Muskel-Skelett-Erkrankungen. Der Bericht hebt außerdem hervor, dass physiotherapeutische Verfahren Einzug in eine Vielzahl von medizinischen Leitlinien und damit in die medizinische Versorgung gefunden hat.

"Neben den zahllosen positiven Rückmeldungen von Patientinnen und Patienten liefern solche Berichte wichtige Argumente dafür, die physiotherapeutische Versorgung in Deutschland weiter zu stärken und die Rahmenbedingungen dafür weiter zu optimieren", betont Andrea Rädlein. Dafür macht sich PHYSIO-DEUTSCHLAND stark – gegenüber der Politik, gegenüber den Krankenkassen und in der Öffentlichkeit.