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Freie Mitarbeit

Das Thema "Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" ist ziemlich komplex und auch nicht unumstritten. Da viele von euch als frei mitarbeitende Person tätig sind, frei mitarbeitende Personen beschäftigen oder aber dies planen, möchten wir euch nachfolgend ergänzend zu einer allgemeinen Erläuterung auf die Besonderheiten der freien Mitarbeit, die Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens und auf wirtschaftliche Risiken hinweisen.

Es wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die freie Mitarbeit in der Physiotherapie nicht möglich sei. Die letzte Gerichtsentscheidung, die bundesweite Bedeutung für die freie Mitarbeit in der Physiotherapie erlangte, erging durch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 24.03.2016 (Az.: B 12 KR 20/14R ). Hier bestätigte das Gericht die Möglichkeit der freien Mitarbeit, auch wenn hier bereits Hürden aufgestellt wurden. 

Insofern wird darauf hingewiesen, dass hier keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können oder euch die nachfolgenden Informationen keinesfalls eine Garantie liefern, eine freie Mitarbeit zu ermöglichen.

Allgemeingültige Aussagen sind in diesem Fall nicht möglich, da im Endeffekt immer eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls vorzunehmen ist und sich somit jeder Fall anders auslegen und beurteilen lässt. Auch sind die teils unterschiedlichen Rechtsprechungen der jeweils örtlich zuständigen Landessozialgerichte (LSG) zu beachten.

Allgemeines

Die Schwierigkeiten der freien Mitarbeit haben ihren Ursprung in der Abgrenzung zwischen dem Vorliegen einer Selbstständigkeit und der (sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung (ggf. als sog. "Scheinselbstständigkeit"). Naturgemäß vertritt die Deutsche Rentenversicherung die Ansicht, dass es sich um eine Beschäftigung handelt, in letzter Instanz ist die Entscheidung jedoch den Sozialgerichten vorbehalten.

BeschäftigungNach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
SelbstständigkeitDemgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
"Scheinselbstständigkeit"Diese liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person als selbstständiger Unternehmer auftritt, obwohl sie hinsichtlich der Art ihrer Tätigkeit zu den Beschäftigten zählen.

Sämtliche arbeitsrechtlichen Sondervorschriften, wie zum Beispiel Arbeitszeitgesetz, Urlaubsgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz, etc. sind auf freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht anwendbar. Inhaberinnen und Inhaber von Praxen müssen also beispielsweose nicht darauf achten, ob die frei mitarbeitende Person die gesetzliche Höchstarbeitszeit einhält.

Abwägungskriterien

Für unsere Mitglieder haben wir die nachfolgenden Kriterien zusammengefasst, die immer wieder in den Entscheidungen aufgeführt und als Argumente für die Abgrenzung genutzt werden. Es handelt sich um Beispiele, die im Rahmen der Physiotherapie die allgemeinen Kriterien "Weisungsrecht" und „Unternehmensrisiko“ präzisieren.

Das komplette Infoblatt zur Freien Mitarbeit findet ihr als Mitglied von Physio Deutschland nach dem Login hier.

Statusfeststellungsverfahren

Sowohl zur Absicherung von Praxisinhabern als auch für die frei mitarbeitende Person besteht die Möglichkeit einer sog. Statusfeststellung seitens der Deutschen Rentenversicherung. 

Formulare kannst du hier herunterladen oder über das Servicetelefon der Deutschen Rentenversicherung bestellen (Telefonnummer: 0800 1000 4800, Erreichbarkeit: Mo.-Do. von 08:00 bis 19:00 Uhr, Fr. von 08:00 bis 15:30 Uhr).

Ein durchgeführtes Statusfeststellungsverfahren ist allerdings keine Garantie. Maßgebend ist immer die praktische Durchführung der freien Mitarbeit.

Wirtschaftliche Risiken

Wie eingangs erwähnt und anhand der Erläuterungen zu erkennen, ist die Einordnung von vielen Einzelheiten abhängig. Abschließend werden euch nun die wirtschaftlichen Risiken und somit potenzielle Streitpunkte exemplarisch dargestellt. Auch hier kann keine Garantie auf Vollständigkeit gegeben werden.

Nachentrichtung von Sozialabgaben

Forderungen zur Nachentrichtung von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen können für die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber die Folge sein.

Säumniszuschlag

Auf die nachträglich entrichteten Abgaben können Säumniszuschläge erhoben werden.

Rückforderung der Praxisinhaberin/des Praxisinhabers für gezahlte Honorare

Die Praxisinhaberin oder der Praxisinhaber hat unter Umständen die Möglichkeit, die aufgrund der Annahme einer freien Mitarbeit gezahlten Honorare – abzüglich einer Vergütung, wie sie für ein Arbeitsverhältnis zu zahlen gewesen wäre – zurückzufordern.

Abschließender Hinweis

Das Thema Freie Mitarbeiter birgt erhebliche rechtliche Unsicherheiten sowohl für Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber als auch für die frei Mitarbeitenden.

Einzige Möglichkeit, dieses Risiko bei der Zusammenarbeit mit Freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu minimieren, ist die sogenannte Statusfeststellung bezüglich der frei mitarbeitenden Person bei der Deutschen Rentenversicherung. Das Ergebnis des Statusfeststellungsverfahrens (sei es auf eigenen Antrag oder auch initiativ seitens der Deutschen Rentenversicherung) ist für beide Seiten bindend und schafft Klarheit.

Unsere Tipps für die Mitarbeitenden und Praxisbetreibenden:

  • Lass dich/lasst euch möglichst von Anfang an, vor allem aber im Statusfeststellungsverfahren von einem sachkundigen Rechtsanwalt bei der Ausgestaltung beraten.
  • Einmal getroffene Aussagen über den Praxisablauf im Fragebogen der Deutschen Rentenversicherung oder an anderer Stelle bleiben regelmäßig Gegenstand des (Gerichts-)Verfahrens und können den Ausgang des Statusfeststellungsverfahrens möglicherweise negativ beeinflussen. Hierfür ist es hilfreich, sich hinsichtlich der Tragweite beraten zu lassen.

Für uns als Physio Deutschland e.V.:

Es ist wichtig, euch zu sensibilisieren und dahingehend aufzuklären, dass sich euer Praxisalltag als frei mitarbeitende Person oder als Praxisinhaber/in so gestaltet, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Es findet keine Eingliederung in den Betrieb statt und somit kann in einem Statusfeststellungsverfahren oder in einem potenziellen Gerichtsverfahren festgestellt werden, dass ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis abzulehnen ist. 

Dies gelingt, indem die Gerichte von dem Wesen der weisungsfreien Tätigkeit außerhalb der Betriebsorganisation überzeugt sind, kein Raum für Zweifel bestehen bleibt und der Indizwirkung des Leistungserbringungsrechts mit gewichtigen Argumenten entgegengetreten wird.