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04.01.2017

Prävention und Gesundheitsförderung: Keine Angst vor der Umsatzsteuer

Während klassische, ärztlich verordnete physiotherapeutische Heilbehandlungen ausdrücklich von der Umsatzsteuer befreit sind, greift bei Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung die Umsatzsteuerpflicht. Doch Angst haben muss niemand. Denn, die Vorteile des Zweiten Gesundheitsmarktes überwiegen. Lesen Sie hier die wichtigsten Punkte im Überblick.

Umsatzsteuerfreie Leistungen

Ganz klar geregelt ist: Wer als Physiotherapeut aufgrund ärztlicher Verordnung Heilbehandlungen oder Rehabilitationssport/Funktionstraining erbringt, bei denen ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht, muss keine Umsatzsteuer abführen. Zu den umsatzsteuerfreien Leistungen gehören alle Maßnahmen, die der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten dienen.

Welche Behandlungen fallen nun unter diese Bedingung und wie kann man umsatzsteuerpflichtige Maßnahmen von nicht umsatzsteuerpflichtigen Maßnahmen abgrenzen? Der entsprechende Umsatzsteuer-Anwendungserlass regelt dazu unter Ziffer 4.14.1, dass die Notwendigkeit der Heilmittelbehandlung von einem Arzt beziehungsweise Heilpraktiker in Form einer Heilmittelverordnung festgestellt werden muss. Der Bundesfinanzhof beantwortet die Frage, ob dieser Nachweis allein in Form von Heilmittelverordnungen erbracht werden kann, hingegen deutlich offener:

Als Nachweis des therapeutischen Zwecks von Leistungen können nicht nur ärztliche Verordnungen in Form eines Kassen- oder Privatrezepts dienen, sondern auch andere Unterlagen,

die zum therapeutischen Zweck eine vergleichbare Aussagekraft wie ärztliche Verordnungen haben und von Personen stammen, die zur Feststellung des therapeutischen Zwecks befähigt sind (BFH vom 01.10.2014 XI R 13/14).

Umsatzsteuersatz: 7 oder 19 Prozent

Lag keine Heilmittelverordnung eines Arztes beziehungsweise Heilpraktikers vor, griff bis 30. Juni 2015 die Regelung, dass unabhängig von der Art der (Anschluss-)Behandlung des Patienten der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent galt.

Seit 01. Juli 2015 gilt diese Sichtweise nur noch eingeschränkt: Entscheidend ist seitdem, dass die physiotherapeutische Behandlung nach der Heilmittelrichtlinie und dem Heilmittelkatalog als Heilmittel verordnungsfähig ist.

19 Prozent Umsatzsteuer

Für Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe müssen Physiotherapeuten 19 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, denn diese Leistungen haben laut § 20 SGB V "keinen unmittelbaren Krankheitsbezug" und verbessern "lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand".

Beispiel: Yoga-Kurse. Die Übungen verbessern zwar den allgemeinen Gesundheitszustand und leisten einen allgemeinen Beitrag zur Verminderung von Krankheitsrisiken. Anders als bei einer Leistung nach dem Heilmittelkatalog besteht aber kein unmittelbarer Krankheitsbezug. Positive Gesundheitsfolgen als lediglich mittelbarer Nebeneffekt reichen für die Steuerbefreiung nicht aus (§ 4 Nr. 14 UStG). Für diese muss immer der medizinisch-therapeutische Effekt die unmittelbare Folge der Leistung sein. Daher müssen Physiotherapeuten für Präventionsmaßnahmen Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent abführen.

Ausnahme: Regelung für Kleinunternehmer

Bitte beachten Sie: Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer zahlen. Dies gilt selbstverständlich auch für Physiotherapeuten. Wenn Ihre steuerpflichtigen Umsätze im Vorjahr nicht die Grenze von 17.500 Euro überschritten haben und Ihr Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich unter der Grenze von 50.000 Euro liegen wird, gelten Sie als Kleinunternehmer. In diesem Fall müssen Sie - auch bei Umsätzen in der Prävention und Gesundheitsförderung - keine Umsatzsteuer abführen.

Keine Umsatzsteuerpflicht für Heilpraktiker und sektorale Heilpraktiker Physiotherapie

Physiotherapeuten, die als Heilpraktiker oder Teilheilpraktiker (sektoraler Heilpraktiker) heilkundlich tätig werden, müssen für ihre Leistungen keine Umsatzsteuer abführen. Denn auch die heilkundlichen Tätigkeiten der (Teil-)Heilpraktiker sind – ebenso wie die heilkundlichen Tätigkeiten von Ärzten – gesetzlich von der Umsatzsteuer befreit, § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG.

PHYSIO-DEUTSCHLAND empfiehlt

Auch wenn das Thema "Umsatzsteuer" auf den ersten Blick recht verwirrend erscheint, müssen Sie sich nicht scheuen, Leistungen anzubieten, für die Umsatzsteuer anfallen (könnte). Ihre Praxis profitiert trotz einer möglichen Umsatzsteuerpflicht. Denn: Wer seinen Patienten Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung anbietet, reagiert auf gesellschaftliche Anforderungen, stellt sich breiter im Markt auf und kann so zusätzliches Einkommen generieren. Dabei macht es Sinn, die Umsatzsteuer in der Rechnung offen auszuweisen und so die Patienten entsprechend zu belasten.

Wichtig ist: Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater und gehen Sie mit ihm die Unterlagen durch. So sind Sie steuerlich auf der sicheren Seite.

Wir fordern Umsatzsteuerbefreiung

Unsere Meinung: Auch Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung dienen dem Erhalt der Gesundheit und sollten wie die klassischen Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit sein. Davon ist nicht nur PHYSIO-DEUTSCHLAND, sondern auch der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) e.V. überzeugt. Gemeinsam stehen wir zu diesem Thema im Dialog mit politischen Entscheidungsträgern und setzen uns intensiv für die Befreiung von der Umsatzsteuer auch für Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe ein.