20.03.2006
–
Bundesverband
Hartmannbund ruft Ärzte zum Ausstieg aus Chronikerverträgen auf
Bundesministerium für Gesundheit: Der Hartmannbund darf seine Interessenpolitik nicht auf dem Rücken chronisch kranker Menschen austragen.
Der Hartmannbund hat seine Mitglieder aufgefordert, vollständig aus ihren Chronikerverträgen (Disease-Management-Programmen, DMP) auszusteigen,. „An dieser Stelle können wir dem System den Kampf ansagen, ohne unseren Patienten wehzutun“, sagte der Vorsitzende des HB, Dr. Kuno Winn, am 17. März in Berlin.
Die DMPs hätten sich für die Krankenkassen zu lukrativen Profitcentern mit überproportionalen Einnahmen aus dem Risikostrukturausgleich entwickelt, die nur zu einem geringen Teil an die Ärzte weitergegeben würden..
Darauf reagierte das Bundesministerium für Gesundheit mit folgender Pressemitteilung:
Der Hartmannbund darf seine Interessenpolitik nicht auf dem Rücken chronisch kranker Menschen austragen
Der Hartmannbund hat heute die niedergelassenen Ärzte aufgerufen, ihren politischen Forderungen durch einen flächendeckenden Ausstieg aus den Verträgen zu Disease Management Programmen (kurz DMP) Nachdruck zu verleihen. Das ist ein Versuch, das Wohl der chronisch kranken Patientinnen und Patienten der Interessenspolitik eines Verbandes unterzuordnen und mit gezielten Falschaussagen für einen Ausstieg aus den DMPs zu werben.
1. Falschaussage: DMPs brächten keine Verbesserung der Versorgung.
• Erste Ergebnisse zur Qualitätssicherung bei DMPs sind positiv. Strukturierte Behandlungsprogramme tragen zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung bei. Qualitätsberichte für strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2 zeigen z.B., dass die vereinbarten Qualitätsziele weitgehend erreicht werden und die strukturierten Behandlungskonzepte den Patientinnen und Patienten nutzen. Dies bestätigt auch ein Bericht in der Zeitschrift Finanztest (3/2005) sowie verschiedene Patientenbefragungen und eine erste Bilanz durch die AOK (abrufbar unter www.dmp-aok.de)
• Aufgrund der kurzen Laufzeit der Programme (die ersten Zulassungen sind 2003 erfolgt) liegen derzeit verständlicherweise noch keine Evaluationsergebnisse vor. Aber die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation ist bereits angelaufen: Die AOK, die Bundesknappschaft und die See-Krankenkasse haben bereits ein Evaluationskonsortium beauftragt (bestehend aus dem Institut für angewandte Sozialwissenschaft, der Prognos AG und dem Wissenschaftli-chen Institut der Ärzte Deutschlands). Erste Zwischenergebnisse sollen nach Aussage der AOK bereits im Sommer 2006 vorliegen.
2. Falschaussage: Ausstieg aus den DMPs würde Patienten nicht weh tun.
Bei den DMPs stehen insbesondere die Versicherten im Mittelpunkt. Beim Ausstieg der Ärzte aus den DMP hätten chronisch Kranke viele Nachteile, sie müssten verzichten:
auf die Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Erkrankung durch die Strukturierung des Behandlungsablaufs; auf ein koordiniertes Zusammenwirken der Leistungserbringer im DMP und eine abgestimmten, qualitativ hochwertigen Behandlung auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand; auf die Behandlung nach einem differenzierten Therapieplan auf der Basis einer individuellen Bewertung des Krankheitszustandes: Im DMP werden gemeinsam mit der Ärztin/dem Arzt der Verlauf der Behandlung und die Therapieziele abgestimmt und regelmäßige Folgetermine sowie bei Bedarf Schulungen vereinbart; auf regelmäßige Untersuchung und systematische Dokumentation ihrer Befunde - dies auch zur Sicherung einer hohen Behandlungsqualität; auf die in den DMP durch spezielle Überweisungsregeln vorgesehene Weiterleitung an besonders qualifizierte (Fach-)Ärztinnen und Ärzte oder Einrichtungen – falls Komplikationen auftreten sollten; auf den z.B. für Typ 2-Diabetikerinnen und -Diabetiker im DMP verankerten Anspruch auf eine mindestens einmal jährliche Augenuntersuchung, auf regelmäßige Untersuchungen der Füße sowie der Nierenfunktion, um Folgeschäden rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln; auf die durch die DMP geförderte aktive Beteiligung, Information und Schulung, um kompetent und erfolgreich an der Behandlung mitwirken zu können und das Fortschreiten der Erkrankung durch positive Verhaltensänderung beeinflussen zu helfen; auf - nicht zuletzt auch - finanzielle Anreize wie Bonusregelungen der Krankenkassen für Teilnehmer an den DMPs (hinsichtlich Praxisgebühr und/oder Zuzahlungen). 3. Falschaussage: DMPs hätten sich für die Kassen zu lukrativen Profitcentern mit überproportionalen Einnahmen aus dem RSA entwickelt.
Die Aussage des Hartmannbundes, dass sich die Krankenkassen durch die Einführung der DMPs aufgrund von überproportionalen Einnahmen aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) zu lukrativen Profitcentern entwickelt hätten, zeugt von der profunden Unkenntnis des Hartmannbundes bezüglich der Funktionsweise des RSA.
Die besondere Berücksichtigung im RSA von chronisch Kranken, die in einem DMP eingeschrieben sind, führt bei den Krankenkassen nicht zu Gewinnen, sondern lediglich zu einem Ausgleich für die Mehrausgaben, die die Versorgung chronisch Kranker im Vergleich zur Versorgung der durchschnittlichen Versicherten verursacht. Dabei gleicht der RSA grundsätzlich nicht die tatsächlich angefallenen Leistungsausgaben aus, sondern nur die durchschnittlichen Leistungsausgaben der Versicherten der jeweiligen RSA-Versichertengruppe, das sind in diesem Fall die chronisch Kranken, die in ein DMP eingeschrieben sind. Die finanziellen Folgen unwirtschaftlichen Verhaltens einer Krankenkasse werden nicht über den RSA ausgeglichen, sondern müssen von der Krankenkasse selbst getragen werden.
Durch die besondere Berücksichtigung dieser chronisch Kranken im RSA wird zumindest für den Bereich der DMPs das bislang bestehende Problem gelöst, dass im RSA gesunde und kranke Versicherte (bei gleichem Alter und Ge-schlecht) finanziell gleich behandelt werden, obwohl sie unterschiedliche Leistungsausgaben verursachen. Die Finanzmittel werden damit zielgerichtet den Krankenkassen zugeleitet, die kranke Versicherte versorgen müssen.