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20.01.2014

PHYSIO-DEUTSCHLAND im Gespräch mit:

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer.

Herr Montgomery, wie beurteilen Sie den Abschnitt Gesundheitspolitik im Koalitionsvertrag?

Ein Koalitionsvertrag beschreibt all das, was die Regierungsparteien sich wünschen und vorgenommen haben. Es sind also zunächst Absichtserklärungen. Es kommen wichtige Themen darin vor und ich erkenne viel Positives. Wir haben der Politik bereits signalisiert,  dass wir an vielen Stellen so eng wie möglich zusammenarbeiten möchten. 

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat die Mängel längst benannt: Es gibt gleichzeitig erhebliche Über-, Unter- und Fehlversorgung. Hier setzt der Koalitionsvertrag an. Begrüßen Sie das? 

Über das Sachverständigengutachten kann man geteilter Meinung sein, aber natürlich gibt Leistungslücken im Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich. Wir begrüßen es, dass die Koalition diese Lücken schließen will. Es kann doch nicht sein, dass ein Hemiplegiepatient, der aus der stationären Versorgung kommt, Wochen auf eine physiotherapeutische Anschlussverordnung warten muss, nur weil gegenwärtig der behandelnde Arzt in der stationären Einrichtung nicht verordnen darf. Wir lehnen es aber ab, dass den Kassen künftig die Verantwortung für das Entlassungsmanagement zugesprochen werden soll. Dadurch werden die Einflussmöglichkeiten der Kostenträger auf medizinische Abläufe enorm ausgeweitet – und das ist sicher nicht von Vorteil für den Patienten. 

Thema Direktzugang: Mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts haben klar gestellt: Jeder niedergelassene Physiotherapeut darf Privatpatienten im Direktzugang – also ohne ärztliche Verordnung - behandeln. Voraussetzung: 60 Stunden Weiterbildung, deren Curriculum von den Bundesländern festgelegt wurde. Dies erst öffnet die Tür zum sektoralen Heilpraktiker für den Bereich Physiotherapie. Kann die Ärzteschaft den Direktzugang inzwischen akzeptieren, insbesondere weil er ja zunächst nur für Selbstzahler gilt?

Für Selbstzahler ist der Direktzugang zum Physiotherapeuten gesetzlich abgesichert, sofern dieser auch über die entsprechende Qualifikation verfügt. Anders sieht es mit dem Direktzugang zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Da geht es um die Verteilung von begrenzten Mitteln. Der Arzt hat heute schon das Problem, dass er abwägen muss, wer Heilmittel unbedingt benötigt. Ein Direktzugang in der GKV wäre also nur möglich, wenn die Leistungen extrabudgetär finanziert werden würden. 

Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Grundlage für die Personalbemessung im stationären Bereich? 

Wenn eine Abteilung eine bestimmte Anzahl an Leistungen erbringen soll, muss es eine entsprechende Zahl von Mitarbeitern geben. Allerdings ist das in den DRGs nicht abgebildet. Im Koalitionsvertrag steht aber, dass das InEK als deutsches DRG-Institut aufgefordert ist, die tatsächlichen Kosten für erbrachte Leistungen im Krankenhaus zu berechnen. Hier wird es je nach Fachgebiet bei Ihnen sicher Unterschiede geben, die beim InEK Berücksichtigung finden müssen. Dieser Ansatz ist lobenswert. Wir begrüßen ihn, weil er für alle Berufsgruppen im stationären Bereich von Nutzen sein könnte. Auch hier wird der Gesetzentwurf zeigen, welche tatsächlichen Verbesserungen erzielt werden können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führten Heinz Christian Esser (Geschäftsführer) und Ute Merz (Physiotherapeutin und Pressereferentin) von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

Das komplette Interview erscheint in der Februar-Ausgabe des pt-Journals. 

Zur Person Prof. Dr. Frank Montgomery:

Seit 2011 ist Prof. Dr. Frank Montgomery Präsident der Bundesärztekammer. Der Radiologe war zwischen 1989 und 2007 Vorsitzender des Marburger Bundes Deutschland und ist seit 1983 Vorsitzender des Marburger Bundes in Hamburg.