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20.11.2017

Sachsen-Anhalt: Gebührenverhandlungen mit der AOK gescheitert

Der Landesverband von PHYSIO-DEUTSCHLAND hat gegenüber der AOK Sachsen-Anhalt das Scheitern der Gebührenverhandlungen erklärt. Ende September waren sich alle physiotherapeutischen Berufsverbände in Sachsen-Anhalt einig: Bei den Gebührenverhandlungen mit der AOK Sachsen-Anhalt geht nichts mehr. Nun wird es ein Schiedsverfahren geben.

AOK Sachsen-Anhalt uneinsichtig und stur

In zwei Verhandlungsrunden hat die AOK Sachsen-Anhalt den Berufsverbänden kein wirkliches Angebot unterbreitet. Der Verhandlungsführer der AOK präsentierte mit dem Angebot, die Preise um 6,5 Prozent zu erhöhen, zweimal ein Angebot, zu dem die AOK durch die Preisuntergrenzenregelung  bereits gesetzlich verpflichtet ist. Mehr noch: Die AOK war nicht einmal bereit, die Preise in Höhe der Preisuntergrenzen (PUG) sofort und ohne weitere Nebenbedingungen an die Praxen auszuzahlen. Im Gegenteil, die AOK wollte unsere Praxen austricksen: Mit dem vergifteten Angebot - vorbei an den physiotherapeutischen Berufsverbänden - , die Preise per Einzelvertrag sofort zu zahlen, hätten sich die Praxen für mindestens ein Jahr an die Höhe der Anpassung binden müssen und  damit auf eine rückwirkende Preisanpassung im Rahmen unseres Schiedsverfahrens verzichtet. Mit diesem Angebot versuchte die AOK, ihre Marktmacht in Sachsen-Anhalt voll auszureizen und so die finanzielle Situation der Praxen schamlos auszunutzen. Kein Zweifel: Die Vorgehensweise der AOK verstößt gegen alle guten Sitten im Rahmen laufender Tarifverhandlungen.

Tatsache ist, dass die AOK Sachsen-Anhalt seit Jahren von allen AOKen bundesweit die niedrigsten Vergütungen im Bereich der Physiotherapie bezahlt. Tatsache ist auch, dass es dieser Krankenkasse nicht an Geld fehlt, sondern am Willen, die Situation der Physiotherapeuten in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu verbessern. Denn: Die AOK Sachsen-Anhalt hat die höchsten finanziellen Zuweisungen aller Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds. Sie erwirtschaftet fortlaufend Überschüsse und hat dabei den günstigsten Beitragssatz deutschlandweit. Die AOK Sachsen-Anhalt wirbt öffentlich damit, dass sie wirtschaftlich gut aufgestellt ist. "Die vermutlich reichste Krankenkasse Deutschlands lässt die Physiotherapeuten in Sachsen-Anhalt wortwörtlich am langen Arm verhungern, um selber wirtschaftlich bestens dazustehen. Mit den Vergütungen, die sie bezahlt, treibt sie die Therapeuten förmlich aus dem Land. Die AOK ist damit Hauptverantwortlicher dafür, dass sich der Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt verschärft!", erklärt Constanze Rikirsch-Schöning, Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt von PHYSIO-DEUTSCHLAND. "Das können und wollen wir nicht länger hinnehmen!", untermauert sie die Entscheidung der Berufsverbände, nicht länger mit der AOK Sachsen-Anhalt zu verhandeln.

Situation der Physiotherapeuten desolat

Fakt ist auch, nirgendwo sonst verdienen Physiotherapeuten so wenig wie in Sachsen-Anhalt – der Grund ist das schlechte Vergütungsniveau in Sachsen-Anhalt. Der durchschnittliche Verdienst der in den ambulanten Praxen angestellten Therapeuten liegt laut Statistiken der Bundesagentur für Arbeit bei circa 1.650,- Euro brutto. Hier besteht also dringender Nachholbedarf. Die Forderung der Berufsverbände auf Vergütungserhöhung in Sachsen-Anhalt lag deshalb für 2017 bei 24,35 Prozent!

Seit Jahren wandern viele Therapeuten aufgrund der finanziellen Lage aus Sachsen-Anhalt in andere Bundesländer oder sogar in andere Berufe ab. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie der Hochschule Fresenius denkt in der Physiotherapie inzwischen fast die Hälfte aller Therapeuten ernsthaft darüber nach, den Beruf zu wechseln. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigt den Fachkräftemangel in der Physiotherapie nahezu bundesweit. "Wir steuern auf ein massives Versorgungsproblem hin, wenn sich an der Vergütung für Physiotherapeuten nicht entscheidend etwas verbessert", ist sich Constanze Rikirsch-Schöning sicher.

PHYSIO-DEUTSCHLAND: Vergütung hat oberste Priorität

In zahlreichen Bundesländern war bei den Vergütungsverhandlungen für 2017 ein guter Wille der Krankenkassen erkennbar. Sie haben den Auftrag der Politik ganz überwiegend verstanden und die Gebühren für physiotherapeutische Leistungen deutlich stärker als bislang erhöht. Das ist ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange nicht ausreichend, um die Situation der Physiotherapeuten in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Hier muss es weitere Erhöhungen und eine generelle Aufwertung der Physiotherapie in der Patientenversorgung geben, sonst droht ein physiotherapeutischer Versorgungsnotstand in Deutschland.

Wir werden in den nächsten Wochen den Ablauf eines Schiedsverfahren erläutern und über den Verlauf in Sachsen-Anhalt berichten.