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08.03.2019 – Bundesverband

Physiotherapeutische Diagnostik: Umfassende Patientenbeurteilung dank ICF

Zu Beginn einer physiotherapeutischen Behandlung wird im Rahmen der physiotherapeutischen Diagnostik ein ausführlicher Befund erhoben. Physiotherapeuten bedienen sich für die Befundung den Kriterien der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health), mittels derer die aus der Erkrankung resultierenden individuellen Einschränkungen beurteilt werden können. So erhält der behandelnde Therapeut einen guten Einblick, inwieweit der Patient wieder fähig ist, seinen Alltag zu bestreiten. Eine detaillierte Befunderhebung erleichtert dabei die therapeutischen Denkprozesse. Ausgehend von Anamnese und Untersuchung, über spezifische Assessments bis hin zur Therapieplanung und letztendlich dem Abschluss der Therapie können so alle Schritte strukturiert abgearbeitet und dokumentiert werden.

Das ICF-System zur Befundung bietet ein leicht einzuprägendes Schema, das aus den folgenden vier Unterpunkten aufgebaut ist:
 

  1. Körperfunktionen und Strukturen:
    Unter diesem Punkt werden alle Informationen subsummiert, die der Beschreibung der physischen Einschränkung des Patienten dienen. Dazu gehören beispielsweise Einschränkungen der Beweglichkeit bestimmter Gelenke, Verlust oder Einschränkung von Körpersinnen oder anatomische Veränderungen. Zur besseren Einteilung wird empfohlen, eine Skala zu verwenden, die den Ausprägungs- bzw. Einschränkungsgrad von „Problem gering vorhanden“ bis „Problem voll ausgeprägt“ darstellt.
     
  2. Aktivität und Partizipation:
    Dieser Punkt beschreibt die Funktionsfähigkeit des Individuums aus Sicht der Gesellschaft. Es werden also Einschränkungen thematisiert, die der Betroffene im Hinblick auf seine Kommunikation, Selbstversorgung, Mobilität oder Interaktion erfährt. Ein Patient mit einem Impingementsyndrom der Schulter könnte beispielsweise an dieser Stelle über seine Einschränkungen hinsichtlich der Körperpflege berichten.
     
  3. Umweltfaktoren:
    Hierunter fallen sämtliche externe Faktoren, die den Zustand des Patienten beeinflussen. Diese können sich negativ, aber auch positiv auswirken. Im Beispiel des Schulterpatienten wäre eventuell eine Hilfe bei der Körperpflege durch die Ehefrau ein genesungsfördernder Umweltfaktor, ein reparaturbedürftiges Eigenheim dagegen ein genesungshemmender Umweltfaktor.
     
  4. Personenbezogene Faktoren:
    Analog zu den Umweltfaktoren können auch personenbezogene Faktoren positiven oder negativen Einfluss auf den Gesundheitszustand ausüben. Unter diesem Punkt kommen alle Informationen zum Tragen, die vom Patienten selbst ausgehen bzw. von diesem beeinflusst werden können. Eine hohe Motivation, Affinität zu sportlichen Übungen oder ein gesunder Lebensstil sind Beispiele für positiv wirkende Faktoren. Körperlich belastende Arbeit, schlechte Erfahrungen und ein schwieriger sozialer Hintergrund können dagegen negativ wirken.


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Artikel 2: Auswahl des richtigen Assessments
Artikel 3: Warnsignale erkennen mit dem Flaggensystem
Artikel 4: Behandlungsziele auf smarte Art formulieren